Fachbeiträge
Recht der USA:
Recht Sonstiger Common Law Staaten:
Steuerrecht:
Bau- und Architektenrecht:
1. Immobilien- und Grundstückskauf in den USA
von Rechtsanwalt Andre JahnImmobilien- und Grundstückskauf in den USA
Ausländerrechtliche Beschränkungen...
Der Maklervertrag...
Der Kaufvertrag...
Eigentumsübergang...
Personenmehrheiten auf Erwerberseite
Steuerliche Aspekte
I.) Einleitung
Wer eine Immobilie in den USA kaufen oder verkaufen will, sollte sich darauf einstellen, dass die Rechtslage und die Rollen der Beteiligten andere sind als in Deutschland. In Deutschland muss jede Verfügung, die ein Recht an einem Grundstück betrifft, in das Grundbuch eingetragen werden, um wirksam zu sein. Die zugrunde liegenden Verträge bedürfen der notariellen Beurkundung (Art. 11 Abs. 5 EGBGB i.V.m. § 313 und § 873 BGB). Keine dieser Aussagen trifft auf die Bundesstaaten der USA zu. Notare im kontinentaleuropäischen Sinne sind unbekannt. So genannte notary publics können nur die Echtheit einer Unterschrift beglaubigen. Die Wirksamkeit einer Verfügung über ein Recht an einem Grundstück setzt keine Eintragung in ein öffentliches Register voraus. Das gilt für alle Bundesstaaten mit Ausnahme von Hawaii, Illinois, Ohio, Colorado Massachusetts und Minnesota . In allen anderen Bundesstaaten wird die Eintragung einer Verfügung über ein Recht an einem Grundstück nur vorgenommen, um die Gutgläubigkeit eines etwaigen späteren Erwerbers vom gleichen Verkäufer zu zerstören.Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen Überblick über Tendenzen geben, die in den meisten Bundesstaaten gelten. Sie können allerdings eine individuelle Beratung nicht ersetzen, weil dieser Teil des Zivilrechts der USA in die Zuständigkeit der US-Bundesstaaten fällt. In einem praktischen Fall, muss jede der nachfolgenden Aussagen auf ihre Gültigkeit in dem betroffenen Einzelstaat geprüft werden. Außerdem gelten die nachfolgenden Ausführungen nur mit Einschränkungen auch für Immobiliengeschäfte im Zuge der Zwangsvollstreckung (forced sale) oder im Rahmen der Nachlassabwicklung. Hier wird der Standardfall besprochen, etwaige Fehlentwicklungen und die daraus entstehenden Ansprüche (remedies) sind ausgespart.
II.) Ausländerrechtliche Beschränkungen für Käufer
In fast allen US-Bundesstaaten sind Gesetzte in Kraft, die das Recht eines Ausländers oder einer ausländischen Gesellschaft ein Recht an einem Grundstück zu erwerben, einschränken. Diese variieren in ihren Details aber so stark, dass nur anhand von Beispielen ein Eindruck von ihnen vermittelt werden kann.Fast alle Bundesstaaten schränken das Recht von Ausländern oder ausländischen Gesellschaften öffentliches Land von einem Hoheitsträger zu erwerben ein . Damit Grundnahrungsmittel und Rohstoffe in der Hand von Amerikanern bleiben, dürfen Ausländer bzw. ausländische Gesellschaften Landwirtschaftsflächen oder Gebiete, in denen Rohstoffvorkommen vermutet werden, entweder gar nicht oder nur bis zu einer maximalen Obergrenze erwerben .
Für einen Käufer mit deutscher Staatsangehörigkeit besonders relevant sind alle Beschränkungen, die das Recht zum Grunderwerb von seinem ausländerrechtlichen Status in den USA abhängig machen. In einigen wenigen Bundesstaaten muss zum Beispiel jede Person, die nicht die amerikanische Staatsbürgerschaft hat und ein Recht an einem Grundstück erwerben will, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne die amerikanische Staatsbürgerschaft annehmen, andernfalls fällt das Grundstücksrecht dem Staat anheim. Einige Einzelstaaten verlangen, dass zumindest ein ständiger Wohnsitz ("residence") innerhalb den USA begründet wird, was den Aufenthaltsbeschränkungen vieler Visa-Typen zuwiderläuft .
Insbesondere ändert Immobilien-Eigentum in den USA nichts an dem ausländerrechtlichen Status des Erwerbers. Es kann sogar sein, dass der Erwerb von Grundeigentum für ein Verfahren gegenüber der Einwanderungsbehörde nachteilig ist, weil in ihm ein deutliches Indiz dafür gesehen wird, dass Einwanderungstendenzen bestehen .
In Bezug auf ausländische Gesellschaften verlangen alle US-Bundesstaaten, dass diese zumindest eine Repräsentanz am betroffenen Ort unterhalten und sich als "FBE" (=Foreign Business Entity") in das jeweilige Handelsregister eintragen lassen, obwohl das im Verhältnis zu deutschen Gesellschaften gegen den Deutsch Amerikanischen Freundschaftsvertrag (Art. XXV Abs. 5 S.2) verstoßen könnte.
III.) Der Maklervertrag (Broker)
Die Aufgabe eines Grundstücksmaklers ist es, Grundstückskaufverträge zu vermitteln, wofür er eine Provision beansprucht. Diese zahlt in den USA meistens der Verkäufer unter Aufschlagung auf den Kaufpreis. Der Makler ist in den USA entweder für den Käufer oder nur für den Verkäufer tätig, er darf aus berufs- und haftungsrechtlichen Gründen nicht für beide in gleichem Umfang tätig werden.1.) Makler auf Käufer - und Verkäuferseite
Aus Sicht eines ausländischen Käufers empfiehlt es sich daher, einen eigenen Makler als "exclusive buyer´s agent" zu beauftragen. Andernfalls muss einem klar sein, dass jeder amerikanische Makler, an den sich ein Käufer wendet, vorrangig die Interessen des Verkäufers vertritt. Zwar ist auch ein Makler auf Verkäuferseite verpflichtet, alle bekannten vertragswesentlichen Tatsachen, wie bekannte Sachmängel zu offenbaren; jedoch besteht seine vorrangige Treupflicht als "seller´s-agent" gegenüber dem Verkäufer. Diese hindert ihn daran, sinkende Immobilienwerte in der betroffenen Nachbarschaft offen zu legen, dem Käufer günstigere Vergleichsangebote zu unterbreiten und sie verpflichtet ihn dem Verkäufer alles, was er über den Käufer in Erfahrung bringen kann, insbesondere die Motive für den Immobilienerwerb und die Kreditwürdigkeit des Käufers, zu offenbaren.
Der Abschluss eines "exclusive buyer´s agency agreements" hat auch die Vorteile, dass ein Makler auf Käuferseite diesem andere Angebote als diejenigen, die im bundesweiten öffentlichen Online Listing ("MLS=Multiple Listing") aufgeführt werden, wie etwa Immobilien in der Zwangsversteigerung, anbieten darf. Ob durch die Einschaltung eines weiteren Maklers auf Käuferseite Mehrkosten entstehen, hängt von der vertraglichen Vereinbarung ab. Meistens einigen sich beide beteiligten Makler die Provision zu teilen ("co-fee-agreements"). Mittlerweile ist es auch üblich, dass die Makler auf Verkäuferseite von vornherein unterschiedliche Courtagen dafür vereinbaren, ob sie sich diese mit einem anderen Makler für die Gegenseite teilen müssen.
Ausländer, die Grundbesitz in den USA verkaufen wollen, werden in der Regel schon deswegen einen eigenen Makler beauftragen, weil das Motiv für den Verkauf regelmäßig sein dürfte, dass man sich nicht mehr dauerhaft in den USA aufhalten will und dies die Abwicklung des Kaufvertrages erleichtert.
2.) Der Provisionsanspruch des Maklers
Höhe und Fälligkeit des Provisionsanspruchs des Maklers hängen von der vertraglichen Abrede zwischen ihm und seinem Auftraggeber ab. Der Makler-Vertrag wird in der Praxis am häufigsten als "Listing-Agreement" bezeichnet. Davon gibt es zwei Arten: das "Open-Listing", bei dem die Tätigkeit des Maklers auf den Vertragsabschluß nicht aber auf die eigentliche Eigentumsübertragung hingewirkt haben muss, damit der Provisionsanspruch entsteht und das "Exclusive-Listing", bei dem der Provisionsanspruch des Maklers auch dann entsteht, wenn seine Tätigkeit für den Vertragsschluss nicht ursächlich war.
Bei beiden Typen reicht es nach allgemeinen Common-Law Grundsätzen aus, dass der Makler, der auf Verkäuferseite steht, einen Käufer präsentiert, der bereit, vermögend und willens ist ("ready, willing and able") ein bindendes Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages abzugeben. Das heißt der Anspruch auf die Maklercourtage entsteht auch dann, wenn es zwar zum Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrages ("real estate sales agreement"), jedoch nicht zum dinglichen Vertrag ("settlement" oder "close of escrow") kommt, mit dem das Eigentum an der übertragenen Immobilie auf den Käufer dadurch übergeht, dass der Verkäufer dem Käufer eine Eigentumsübertragungsurkunde ("deed") übergibt.
Anders als in Deutschland, wo beide Geschäfte bei einem Notartermin erledigt werden, liegt zwischen beiden Zeitpunkten in den USA regelmäßig ein Zeitraum von 2 bis 4 Wochen bis zu 3 bis 4 Monaten. Will derjenige, der einen Makler auf Verkäuferseite beauftragt, sich gegen das Risiko absichern, die Courtage auch dann zahlen zu müssen, falls das Geschäft in diesem Zeitraum scheitert, muss er auf einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung in dem "Listing-Agreement" hinwirken.
Ein bindendes Angebot eines Käufers, der dergestalt "ready, willing and able" ist, liegt allerdings erst dann vor, wenn das Kaufangebot keine echte Bedingung ("condition" oder contingency") mehr enthält. Die praktisch häufigste Bedingung ist eine Finanzierungsbedingung ("financing condition"), der zufolge der Käufer an sein Angebot erst dann gebunden wird, wenn ihm eine Bank einen Kredit zur Finanzierung des Kaufpreises gewährt. Dabei ist es durchaus üblich, die Vertragsbedingungen des anvisierten Kredites (Kreditvolumen, Art des Kredits, Verzinsung) und dessen Besicherung ("mortgaging conditions") detailliert in das Kaufvertragsangebot aufzunehmen.
Schlussendlich ist der Provisionsanspruch des Maklers in vielen Staaten durch ein gesetzliches Pfandrecht ("Broker´s lien") an der verkauften Immobilie gesichert, wobei die meisten einzelstaatlichen Gesetze dieses auf Gewerbeimmobilien oder auf Mehrfamilienhäuser ab einer bestimmten Größe beschränken.
IV.) Der Kaufvertrag (Real Estate Sales Agreement)
1.) RegelungspunkteObwohl sich die verwendeten Musterformulare lokal stark unterscheiden, regeln die meisten "Real Estate Purchase Contracts" folgende Punkte:
a) Der Verkäufer verspricht in Zukunft das Eigentum an dem betroffenen Grundstück durch Übergabe einer Übertragungsurkunde ("deed") an den Käufer zu übertragen.Anders als in Deutschland wird dieses Grundstück nicht durch Bezugnahme auf eine Grundbuchakte beschrieben. In dünn besiedelten Gebieten ist eine Beschreibung nach Meridianen, die auf Lägen- und Breitengrade Bezug nehmen, nicht ungewöhnlich. In Großstädten gibt es meist eine offizielle Katasterkarte, auf die Bezug genommen wird. Auch eine rein tatsächliche Beschreibung, die das verkaufte Grundstück hinreichend bestimmbar macht, eine Straßenadresse oder ein allgemein geläufiger Name ("dessert ranch"), wären ausreichend.
b) Der Käufer verspricht die Zahlung eines bestimmten Kaufpreises zu bestimmten Zahlungsbedingungen.
Beim Eigenheimkauf verbreitet ist insoweit der Abschluss eines "Instalment Land Contracts" oder "Purchase and Sale Land Contracts", die auf eine Art Mietkauf hinauslaufen. Bei diesen leistet der Käufer eine Anzahlung ("upfront payment"), dann über eine bestimmte Laufzeit monatliche Raten und eine große Summe ("baloon payment") zum Schluss. Erst danach entsteht der Anspruch des Käufers auf Eigentumsübertragung. Dieses Zahlungsmodell wird in der Regel dann gewählt, wenn der Käufer aufgrund unzureichender persönlicher Kreditwürdigkeit nicht in der Lage ist, den Kaufpreis selbst durch eine Belastung der gekauften Immobilie bei einer Bank zu finanzieren; man aber annimmt, dass sich das zum Zeitpunkt des "baloon payments" geändert haben wird. Auf dieses Finanzierungsmodell sollte sich ein Verkäufer, der nicht in den USA lebt, bereits deswegen nicht einlassen, weil es für ihn deutlich schwieriger sein wird im Falle des Zahlungsverzuges seine Rechte zu wahren als bei einem in den USA ansässigen Verkäufer.
c) Die Höhe des Vorschusses, den der Käufer zahlen muss, damit sein Angebot bindend ist.
d) Eine Frist, innerhalb derer der Verkäufer das Angebot annehmen kann oder ein Gegenangebot machen kann.
e) Ggf. einen Finanzierungsvorbehalt des Käufers, incl. der von ihm anvisierten Darlehensbedingungen (Volumen, Zinssatz, Laufzeit).
f) Der Zeitpunkt, bis zu dem der Eigentumsübergang vor welchem "Escrow Agent" oder "settlement agent" auf wessen Kosten erfolgen soll.
g) Der Zeitpunkt, an dem der Käufer, das Haus in Besitz nehmen darf: vor, bei oder nach Eigentumsübergang.
h) Welche Seite etwaig aufgrund des lokalen Ordnungsrechts vorzunehmende Untersuchungen zu veranlassen und zu bezahlen hat: Termiten- und Insektenbefall, Erdbebensicherheit, Brandschutz.
i) Wessen Versicherung von dem Haus ausgehende Schäden in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Eigentumsübergang tragen soll.
j) Ggf. Zusicherungen ("warranties") und deren Umfang sowie Offenlegung bestimmter Mängel in einem standarisierten "Transfer Disclosure Statement", sofern nach dem Gesetzesrecht des jeweiligen Einzelstaat erforderlich.
Hinzuweisen ist darauf, dass es für das formwirksame Zustandekommen des Grundstückskaufvertrages ausreicht, dass der Käufer diesen unterschreibt, einen prozentualen Vorschuss auf den Kaufpreis zahlt, damit es eine Gegenleistung ("consideration") gibt, was jeder Vertragsschluss im Bereich des Common Law voraussetzt und auf Seiten des Verkäufers eine Annahmeerklärung vorliegt
2.) Rechtsfolgen des wirksamen Grundstückskaufvertrages
a) Erfüllungsansprüche von Käufer und Verkäufer
Weil Land als einzigartig angesehen wird, erlangt der Käufer beim Grundstückskaufvertrag -(anders als beim Kauf beweglicher Sachen im Bereich des Common Law) - mit dem Kaufvertragsschluss einen klagbaren Anspruch auf Eigentumsverschaffung der verkauften Immobilie ("specific performance") und der Verkäufer einen auf Kaufpreiszahlung.
b) Gefahrübergang
Nach der in den meisten Staaten geltenden "equitable conversion doctrine" geht bereits zum Zeitpunkt des Abschluss des Kaufvertrages die Gefahr, dass die Immobilie nach dem Abschluss des Kaufvertrages aber vor Eigentumsübergang durch Stürme, Überflutungen, Feuer oder Erdbeben zerstört wird, auf den Käufer über. In einigen Staaten, welche eine Form des so genannten "Uniform Vendor´s and Purchaser´s Risk Act" in Kraft gesetzt haben, gilt das aber nur dann, wenn dem Käufer bereits mit dem Kaufvertrag unmittelbarer Besitz an der Immobilie übergeben wird. Diese Grundsätze gelten sämtlich nur vorbehaltlich einer anderen vertraglichen Abrede.
c) Untersuchungsfrist für Sachmängel
Der Ausgangspunkt des Common Law in Bezug auf Mängel bei Kaufverträgen ist nach wie vor der alte Grundsatz "cavet emptor", -("Käufer pass auf"-!), nach der es Sache des Käufers ist, die Immobilie in der Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Eigentumsübergang auf etwaige Mängel ("defects") zu untersuchen.
Beim Eigenheimkauf gegenüber Verbrauchern werden die Auswirkungen dieser Doktrin heutzutage dadurch gemildert, dass eine Mehrzahl der Bundesstaaten mittlerweile Gesetze erlassen, welche dem "Uniform Truth in Real Estate Consumer Transaction Acts" folgen und durch den der Verkäufer bzw. dessen Makler verpflichtet wird alle vertragswesentlichen Tatsachen zu offenbaren, wozu es standarisierte Formulare ("Transfer Disclosure Statements") gibt.
Vertragswesentliche Tatsachen können dabei nicht nur bekannte Baumängel im physischen Sinne sein sondern auch Beziehungen des Grundstücks zu seiner Umwelt oder seine Vorgeschichte. Das umfasst mitunter auch Selbstmorde früherer Eigentümer oder die Verurteilung eines Nachbarn wegen Sexualstraftaten. Letzteres allerdings nur, wenn es keine einzelstaatliche Gesetzgebung ("Megan´s Laws") oder eine Vertragsklausel gibt, welche den Käufer verpflichtet sich darüber aus den öffentlichen Online-Registern über verurteilte Sexualstraftäter zu informieren.
Offenlegungspflichten können sich auch aus dem lokal geltenden Bauordnungsrecht oder dem einzelstaatlichen Produkthaftungs-, und Umweltrecht. So gibt es in einigen Gebieten Kaliforniens eine Pflicht auf erhöhte Erdbebenrisiken hinzuweisen. Weil viele Häuser aus Holz sind, gibt es in den meisten Staaten die Pflicht vor jedem Verkauf eine Untersuchung auf Termitenbefall durchführen zu lassen.
Verkäufer versuchen oft, sich durch eine so genannte "As-Is-Clause" von jeder Gewährleistung freizustellen. Derartige Klauseln sind grundsätzlich wirksam, auch wenn es einige Fälle gibt, in denen einzelne Gericht diese nicht aufrechterhalten haben.
Die dem Käufer nachteiligen Auswirkungen der "Caveat-Emptor-Doktrin" werden ferner durch die "Merger Doktrin" (="to merge=verschmelzen"), die sich ebenfalls aus dem Fallrecht der meisten Einzelstaaten ergibt, weitergehend verschärft. Nach dieser gehen alle vertraglichen Pflichten im Moment des Abschluss des dinglichen Vertrages durch Übergabe der Übertragungsurkunde ("delivery of the deed") in diesem auf und bestehen fortan nicht mehr. Sie können damit nach Eigentumsübergang nicht mehr eingeklagt werden. Das gilt natürlich wiederum nicht für Ansprüche aus Gesetz oder Delikt, bedeutet aber konkret das Folgende: Wenn der Verkäufer eine vertragliche Zusicherung übernimmt, dass die Immobilie dem lokalen Bauordnungsrecht genügt, muss der Käufer dies zwischen Vertragsabschluß und Eigentumsübergang gleichwohl selbst prüfen. Wenn er das unterlässt, sich also schlicht auf diese Zusicherung verlässt und sie nicht nochmals in der Eigentumsübertragungsurkunde aufgenommen wird und das Bauamt ("public building authority") später eine Abrissverfügung erlässt, hat der Käufer keinerlei vertragliche Ansprüche gegen den Verkäufer mehr, weil das vertragliche Versprechen in dem Übertragungsakt aufgegangen ist.
d) Untersuchungsobliegenheit für Rechtsmängel : Title Search and Title Insurance
Obwohl die Eintragung einer Urkunde, die ein Recht an einem Grundstück betrifft, die Gutgläubigkeit eines späteren Erwerbers vom gleichen Verkäufer zerstören kann, sind die amerikanischen Grundbuchstellen prinzipiell nur Archive alter Akten, deren Richtigkeit und Vollständigkeit niemals durch eine amtliche Stelle geprüft oder gar bestätigt wurde. Damit ist das Bestehen des Eigentumsrechts ("title in fee simple absolute") des Verkäufers nicht von einer amtlicher Stelle wie dem deutschen Grundbuchamt garantiert.
Nun ist der Verkäufer aber auch nur verpflichtet "good and marketable title" zu verschaffen. Das heißt, dass sein Eigentumsrecht so gesichert sein muss, dass eine private Versicherung ("title insurance company") bereit ist, das Risiko, das einer der Voreigentümer oder seiner Nachkommen es heute noch erfolgreich angreifen könnten, zu versichern. In der Praxis heißt "good and marketable title" damit "insurable title".
Die mit der Prüfung beauftragten Sachbearbeiter der Versicherungsunternehmen ("Title Searcher") prüfen dabei die Qualität des zu veräußernden Grundstückrechts anhand der registrierten Akten so weit zurückverfolgen, wie das nach dem einzelstaatlichen Bestimmungen ( "Marketable Title Act") oder der anzuwendenden Verjährungsregelung (hier: "adverse possession") erforderlich ist, damit Ansprüche früherer Eigentümer heute nicht mehr durchsetzbar sind. Kommen sie zu dem Schluss, dass das Eigentumsrecht des Verkäufers von ausreichend hoher Qualität ist, das Versicherungsrisiko also gering, lässt sich das Eigentum des Veräußerers versichern und der Verkäufer hat sein vertragliche Pflicht zur Verschaffung hinreichend versicherbaren Eigentums erfüllt.
Welche der Seiten des Kaufvertrages die Kosten der Versicherung (für "Title-Seach und der Title-Insurance") trägt, ist wiederum eine Frage des Kaufvertrages: selbst wenn sie im Einzelfall der Verkäufer übernehmen sollte, wird er sie bereits in den Kaufpreis einkalkuliert haben.
V.) Eigentumsübergang: "Closing of Escrow" oder "Settlement", Typen von Urkunden ("Deeds") und Verpflichtungen ("Covenants")
Das Recht an einem Grundstück geht in dem Moment vom Veräußerer ("grantor") auf den Erwerber ("grantee") über, in dem diesem eine Übertragungsurkunde übergeben wird, was meistens bei einem Termin vor einem "escrow agent" oder "closing agent" geschieht. Dabei werden unterschiedliche Typen von Urkunden verwendet. Diese enthalten inzident jeweils unterschiedlich starke Zusicherungen (hier: covenants") des Veräußers in Bezug auf die Qualität des übertragenen Rechts.Die einfachste Form ist eine "Quitclaim Deed". Diese enthält insoweit gar keine Zusicherungen des Veräußerers. Er überträgt jedes Recht, das er haben mag, stellt sich hinterher heraus, dass er gar keins hatte, hat der Erwerber auch nichts erworben und keine Ansprüche gegen den Veräußerer.
Bei der häufigsten Verwendung einer "warranty deed" misst das Recht der meisten Staaten dieser sechs Zusicherungen zu:
-dass der Veräußerer Besitz hat (hier "seisin"),
-dass er das Recht hat zu übertragen ("right to convey"),
-dass das Grundstück frei von Belastungen ist ("free from encumberances"),
-dass der Veräußerer oder seine Rechtsnachfolger den Erwerber nicht im Besitz stören wird ("quiet enjoyment"),
- dass der Veräußerer den Erwerber für jede von ihm begangene Besitzstörung entschädigen wird ("warranty"),
- dass der Veräußerer auch in der Zukunft jede Erklärung abgeben wird, die erforderlich werden mag, um die Rechtsübertragung auf den Erwerber zumindest nachträglich wirksam zu machen ("further assurances").
In einigen Staaten sind auch Zwischentypen bekannt: z.B. wird in Kalifornien zwischen einer "general warranty deed", die alle genannten Zusicherung enthält und einer "special warranty deed" unterschieden, die nur die drei erstgenannten Zusicherungen enthält. In den älteren Bundesstaaten ist es auch üblich das Eigentum "with English covenants of title" zu übertragen, was auf inhaltlich auf eine "warranty deed" hinausläuft.
Nicht irritieren lassen darf man sich davon, dass diese Übertragungsurkunde stets nur durch den Veräußerer unterschrieben wird und in ihr statt des vereinbarten Kaufpreises immer nur ein symbolischer Kaufpreis zwischen $ 1 bis $ 10 als symbolische Gegenleistung ("nominal consideration") genannt wird. Weil der Erwerber die Übertragung dadurch annimmt, dass er sich die Urkunde übergeben lässt, ist es nicht üblich, dass er diese Urkunde auch noch unterschreibt. Bei der Nennung der symbolischen Gegenleistung handelt es sich weder um den Versuch, den Veräußerer zu übertölpeln noch um ein nichtiges Scheingeschäft. Der reale Kaufpreis muss zwingend bereits in dem vorher geschlossenen Kaufvertrag genannt worden sein, da dieser andernfalls als zu unbestimmt ("indefiniteness") nichtig wäre, und warum soll man den realen Kaufpreis dadurch veröffentlichen, dass man ihn in der "deed" als demjenigen Dokument, das eingetragen wird und damit heutzutage meistens online für jedermann und damit auch für jeden zukünftigen Käufer einsehbar ist. Andererseits muss zumindest ein symbolischer Betrag genannt werden, damit überhaupt ein dinglicher Vertrag vorliegt, da es ansonsten an der nach Common Law Grundsätzen erforderlichen Gegenleistung ("consideration") fehlen würde.
VI.) Personenmehrheiten auf Erwerberseite
Bei Personenmehrheiten auf Käuferseite wie Eheleuten oder wenn der Kauf über andere nahe Angehörige zumindest teilfinanziert wurde, dürfte ferner ein gewisses Grundwissen über die gemeinschaftlichen Rechte, die wirksam an einer Immobilie begründet werden können, hilfreich sein.- "Title in fee simple absolute" ist die Entsprechung von alleinigem Volleigentum.
- "Joint Tenancy" ist eine Form des Miteigentums, in der zwei oder mehr Personen, jeweils Eigentumsanteile in gleicher Höhe halten aber jeder Besitz an dem ganzen Grundstück hat. Im Falle des Todes wächst der Anteil des Toten den überlebenden "Tenants" von Gesetzes Wegen an. Damit diese Form entsteht, müssen alle Anteilseigner in derselben Urkunden ausdrücklich als "joint tenants" genannt werden.
- "Tenants in Common" sind zwei oder mehr Personen, von denen jeder hälftiger oder anteiliger Miteigentümer ist und jeder Besitz am ganzen Grundstück hat. Jeder ist weitgehend frei seinen Anteil unter Lebenden oder von Todeswegen zu veräußern und es gibt keine Anwachsungsrecht des anderen "Tenants" im Todesfall.
- Die "Joints Tenancy with a right of survivorship" entspricht der "Joint Tenancy". Allerdings ist es in einigen Bundesstaaten erforderlich, dass der Zusatz "with a right of survivorship" in der Übertragungsurkunde ausdrücklich genannt wird, damit das Recht des Vorversterbenden im Moment des Todes kraft Gesetzes auf den Überlebenden übergeht und nicht das Vorliegen einer "Tenancy in Common" unwiderleglich vermutet wird.
-"Tentants by the Entirety" ist eine Form von Miteigentum, die nur in wenigen Bundesstaaten anerkannt ist und ausschließlich Eheleuten vorbehalten. Sie entspricht in den Rechtsfolgen der "Joint-Tenancy". Allerdings entsteht sie in den betreffenden Staaten kraft Gesetzes immer dann, wenn zwei Eheleute in derselben Urkunde Grundvermögen erwerben und nichts bezüglich der Höhe des Anteils eines jeden Ehepartners vereinbart ist.
- -"Community Property": In einigen Bundesstaaten leben Eheleute immer in einem Güterstand, den man der deutschen Gütergemeinschaft vergleichen kann ("community property states"). In Arizona , Kalifornien, Lousiana, New Mexiko, Nevada, Texas, Washington und Wisconsin ist das Eigentum von Eheleuten grundsätzlich Gesamteigentum beider Ehepartner, das im Falle der Scheidung oder des Todes aufzuteilen ist. Separates nicht aufzuteilendes Eigentum ist nur, was ein Ehepartner schon vor der Ehe hatte oder was er während deren Bestehens im Erbwege erwirbt. Aus der Sicht von verheirateten deutschen Käufern sollte man daher zumindest die Eigentumsverhältnisse bereits beim Erwerb von Grundeigentum in diesen Staaten ausdrücklich vertraglich zwischen den Ehepartnern regeln. Selbst wenn nur ein Ehepartner Partei des Kaufvertrages wird und nur seine Namen auf allen Dokumenten erscheint, heißt das nämlich mit Nichten, dass der andere im Scheidungs- oder Todesfall in Bezug auf eine in einem "community property state" gelegene Immobilie, nicht doch hälftiger Eigentümer geworden sein könnte. Ungeachtet der Frage, inwieweit die ausländische Immobilie, insoweit deutsches Recht auf die Ehe anwendbar ist, bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen ist, könnte der andere Ehepartner durchaus auf die Idee kommen, ein amerikanisches Gericht anzurufen und dieses würde in den genannten Staaten aufgrund der Lage des Grundstücks das Ortsrecht anwenden und hätte insoweit zuprüfen, ob der Kaufpreis mit Mitteln finanziert wurde, die sich aus Sicht des Ehegüterrechts des betroffenen Staates als "separate property" oder als "community property" anzusehen wären.
VII.) Steuerliche Aspekte
1.) BundesebeneEin deutscher Verkäufer muss beachten, dass der Käufer grundsätzlich verpflichtet ist, 10% des Kaufpreises zugunsten der föderalen Bundessteuerbehörde zurückzuhalten . Als Ausländer gelten insoweit auch ausländische Gesellschaften und Vermögensmassen wie Nachlässe. Davon gibt es aber eine ganze Reihe von Ausnahmen, von denen die bekanntesten sind, dass der Verkäufer eine US-Steuernummer hat, oder der Kaufpreis unterhalb von $300,000.- und der Käufer beabsichtigt in der Immobilie zu wohnen.
In keinem Fall soll mehr zurück behalten werden, als der Verkäufer für einen etwaigen Gewinn aus dem Verkauf an Kapitalertrags- und/oder Einkommenssteuer zu zahlen haben wird, wobei man bereits vor dem Vertragsschluss bei der föderalen Bundessteuerbehörde ("IRS=Internal Revenue Service") eine Bescheid über deren voraussichtliche Höhe beantragen kann.
2.) Grundsteuer
Eine Grunderwerbssteuer gibt es in den USA nicht. Für den Käufer relevant ist aber die jährlich anfallende Grundsteuer ("property tax" oder "real estate tax"), die auf lokaler Ebene von der jeweiligen Kommune ("Town, City, Municipal, County oder District") erhoben wird. Die anzuwendenden Steuersätze wechseln nach fiskalischem Bedarf zeitlich, lokal und demographisch so stark, dass sich jede Verallgemeinerung verbietet. Sagen lässt sich aber, dass durchweg höhere Gesamtbeträge, als man sie aus Deutschland gewohnt sein mag, ergeben. Das einfachste Mittel, um sich aus Käufersicht Auskunft über deren ungefähre zukünftige Höhe zu verschaffen, besteht darin, sich die Grundsteuerbescheide für das betroffene Grundstück der letzten Jahre vorlegen zu lassen.
2. Deutsche Erben in den USA
von Rechtsanwalt Andre JahnBereits aus der sprichwörtlichen Figur des „reichen Erbonkels in Amerika" wird deutlich, dass es immer wieder deutsch-amerikanische Erbrechtsfälle gab und gibt. Im Abstand von 50-70 Jahren dürfte diese direkt proportional zu den Auswanderungswellen auftreten. Spätestens seit den siebziger Jahren gibt es auch wohlhabende Deutsche, die über Immobilien in den USA verfügen, ohne dort dauerhaft ansässig zu sein. Klassisches Beispiel wäre sicherlich Grundbesitz in Florida, wie in einem vor längerer Zeit vom BGH entschiedenen Fall.1 Das macht deutlich, dass ein Bedürfnis an Auskünften zum amerikanischen Erbrecht in Deutschland gibt. Die erbrechtlichen Details variieren zwar von Bundesstaat zu Bundesstaat, doch mit entsprechenden Vorkenntnissen in der Recherche von US-Recht lassen sich diese recht einfach ausmachen. Hier geht es nur um einen knappen Überblick über US-Erbschaftssteuerrecht.
Jeder Gesetzgeber hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten Erbschaftsteuern zu erheben:
1.) Mit einer Erbnachlasssteuer (estate tax), die den Wert des Gesamtnachlasses besteuert oder
2.) Mit einer Erbanfallsteuer (inheritance tax), die besteuert, was jeder Erbe empfängt.
Die Höhe einer Erbanfallsteuer wird häufig vom Grad der Verwandtschaft zum Erblasser abhängig gemacht, um Vermögen innerhalb von Familien zu halten.2 Die deutsche Erbschaftsteuer in der Form, die 2014 vor einer etwaigen anderen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Herbst 2014 noch gilt, ist eine Erbanfallsteuer. Es wird besteuert, was jeder Erbe bekommt. Freibeträge und Steuerquote hängen vom Grad der Verwandtschaft zum Erblass und dem Wert der empfangenen Anteils ab (§-§ 16, 19 ErbStG). Der Internal Revenue Service, der die Bundeserbschaftssteuer der USA erhebt, erhebt dagegen eine Erbnachlasssteuer, bei der der Wert des Gesamtnachlasses besteuert wird. Das gilt auch für die meisten Erbschaftssteuern der einzelnen Bundesstaaten aber nicht für alle. Kalifornien und Florida erheben momentan weder eine Erbanfall- noch eine Erbnachlassteuer, sondern werden quasi an der Bundeserbschaftssteuer beteiligt. New York und Hawaii, um die bekanntesten zu nennen, erheben eine eigene Nachlassteuern. Nur sehr wenige Staaten erheben momentan eine eigene Erbanfallsteuer, vergleichbar der deutschen Erbschaftssteuer, etwa Kentucky oder Pennsylvania Die Staaten Maryland und New Jersey dagegen erheben sogar beides, so dass sozusagen der Todesfall dort theoretisch dreimal besteuert werden kann, einmal der Gesamtnachlass durch die USA, einmal der Gesamtnachlass durch diese Bundesstaaten und einmal das Empfangene bei den Erben.
Zu beachten, ist dass das Erbschaftssteuerrecht sich sowohl der USA als auch der Einzelstaaten seit ca. dem Jahr 2000 in ständiger Bewegung ist. Es kommt sehr häufig vor, dass ein Einzelstaat seine Erbschaftssteuer abschafft und sie im nächsten Jahr wieder einsetzt. Für die Erbschaftssteuer des US-Bundesgesetzgebers geschah das zuletzt 2010 bzw. 2011. Sehr impressionistisch wird auch die Frage gehandhabt, ob gleichgeschlechtliche Ehen bzw. Lebenspartnerschaften an Ehegattenfreibeträgen partizipieren (martial deductions). Für die Bundeserbschafssteuer führt der IRS dazu aus, den Einzelstaaten folgen zu wollen. Wenn das einzelstaatliche Recht gleichgeschlechtliche Ehen akzeptiert, soll auch auf Bundesebene der Ehegattenfreibetrag gelten; wenn dagegen das einzelstaatliche Recht nur eingetragene Lebenspartnerschaften kennt, dann nicht. Offen bleibt, was das für eingetragene Lebenspartnerschaften im Sinne des deutschen Gesetzesgebers heißen mag.
Tendenziell tendieren potentielle deutsche Erben von US-Erblassern erfahrungsgemäß dazu, die Bedeutung der amerikanischen Bundeserbschaftsteuer überschätzen. Ein Grund dafür ist, dass diese zumindest, soweit es um die Bundesnachlasssteuer (Federal Estate Tax gem. §-§ 2001 bis 2801 des Internal Revenue Code) geht, erst ab einem Bruttonachlasswert von knapp oberhalb von 5. Mill. USD relevant wird. Dieser Wert gilt in dieser Größenordnung für 2013 und 2014. Er variiert über die Jahre stark je nach Regierung, fiskalischen Bedürfnissen und sonstigen politischen Umständen. Die längste Zeit der Jahre 2000 bis 2010 lag er bei 1. Mill. USD. Die Freibeträge der Einzelstaaten sind dagegen meist deutlich geringer, und diese sind es auch, die in Deutschland wenig bekannt sind, und bei denen man nicht umhin kommt, sich für den jeweiligen Einzelstaat zu informieren. New York etwa hat zuletzt (Gesetz vom 1.April 2014) seinen Freibetrag auf knapp oberhalb von 2.Mill USD festgelegt, der aber in den Folgejahren steigen soll, bis er 2019 das gleiche Niveau wie der Freibetrag der Bundeserbschaftssteuer erreicht, so dieser denn dann wirklich noch bei 5. Mill USD liegen sollte.
Wie berechnet man nun eine Erbnachlasssteuer? Die Faustregel ist, dass muss man zunächst den Brutto-Nachlasswert (gross estate) ermitteln muss: das ist der Marktwert aller Vermögensgüter, incl. Grundstücke, Aktien, Lebensversicherungsprämien usw. Der zweite Schritt besteht darin, von diesem Brutto-Nachlasswert alle Nachlassforderungen (last expenses) wie Begräbniskosten, Kosten der Nachlassverwaltung und Schenkungen an gemeinnützige Organisationen (charitable gifts) in Abzug zu bringen. Die sich dann ergebende Größe ist der ggf. zu versteuernde Nachlass (taxable estate). Erst an dieser Stelle werden Freibeträge relevant (tax exemption amounts). Der größte dieser Freibeträge gilt, wenn ein Ehepartner sein gesamtes Vermögen einem anderen Ehepartner vermacht und beide US-Staatsbürger sind. In diesem Fall fällt überhaupt keine Bundeserbschaftssteuer an selbst wenn der Bruttonachlasswert mehr als USD 5. Mill beträgt.
Muss man nun in beiden Ländern Erbschaftssteuer zahlen? Nein, denn zwischen Deutschland und den USA existiert ein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschafts-, Nachlass,- und Schenkungssteuer. Dieses bedient für die meisten Fälle einer etwaigen Doppelbesteuerung der Anrechnungsmethode. Diese zufolge wird eine Doppelbesteuerung dadurch vermieden, dass die in einem Land gezahlte Erbschaftssteuer auf die in dem anderen Land gezahlte Erbschaftssteuer angerechnet wird. Zu beachten ist auch, dass viele Arten etwas zu erwerben, die an den Tod einer anderen Person anknüpfen, gar nicht unbedingt durch Erwerb von Todeswegen zustande komme, sondern sich außerhalb des Erbrechts vollziehen. Das gilt in Deutschland etwa für Sparbücher, Konten und Lebensversicherungen, in denen ein Dritte für den Todesfall als Begünstigter eingesetzt wird. In den USA gilt das für sogenannte POD-Accounts (Payment on Death Accounts, Early Retirement Accounts), einige Arten von Pensions-Plänen Plans und ggf. Trusts in der Form des Intervivos-Trust oder Totten Trusts. Bei jeder dieser Arten des Erwerbes ist genau zu prüfen, ob sich wirklich erbschaftsteuerliche oder nicht eher einkommenssteuerliche Fragen stellen. Auch auf dem Gebiet der Einkommenssteuer gibt es zwischen den USA und Deutschland allerdings ein Doppelbesteuerungsabkommen.
1 BGH Urteil vom 07.07.2004, Az. IV ZR 135\03
2 Die deutsche Unterscheidung zwischen „Erbnachlass" und „Erbanfallsteuern" stammt von Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 1998, auf S. 1027, RZ. 15.507
3. Erbrecht in Florida
von Rechtsanwalt Andre JahnB.) Anzuwendendes Recht
C.) Gesetzliche Erbfolge
D.) Testamentarische Erbfolge
E.) Pflichtteilsrecht
F.) Verfahren
G.) Verschiedenes
H.) Fragen, auf die Sie gefasst sein sollten, wenn Sie einen Anwalt einschalten
A.) Einleitung
Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über das formelle und materielle Erbrecht des US-Bundesstaates Florida. Das materielle und formelle Erbrecht in den USA unterscheidet sich von Bundesstaat zu Bundesstaat, da es auf dem Gebiet des Zivilrechts keine Zuständigkeit der US-Bundesregierung gibt. Zentrale erbrechtliche Rechtsfragen wie die Anforderungen an die Formwirksamkeit eines Testamentes oder die gesetzliche Erbfolge sind aber in allen Bundesstaaten im Ansatz ähnlich gelöst. Florida ist insoweit repräsentativer als Kalifornien, da das Erbrecht Floridas weitgehend einem Mustergesetzentwurf für ein einheitliches US-Erbrecht folgt.
B.) Anzuwendendes Recht
I.) Kollisionsrecht Florida
Bezüglich aller beweglichen Güter (movables) ist das Erbrecht von Florida immer dann anwendbar, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes sein letztes Domizil in Florida hatte. Als Domizil wird dabei der faktische Lebensmittelpunkt des Erblassers verstanden, nicht seine Staatsangehörigkeit und nicht zwingend sein Wohnsitz. Um wirksam ein Domizil in Florida zu begründen, ist es erforderlich, dass der Erblasser (1) mit der Absicht nach Florida zieht, dort auf unbeschränkte Zeit zu leben, und er (2) sein Domizil in Deutschland aufgegeben hat. Bezüglich unbeweglicher Güter (immovables) ist das Erbrecht von Florida anwendbar, wenn das Grundstück in Florida belegen (situated) ist (In Re Salathe 703 So 2d, 1167 (1997)).
Beispiel 1: Domizil
E, deutscher Staatsangehöriger, kauft eine Ferienwohnung in Florida und eröffnet dort ein Konto. Er hält sich aber aufgrund seines Touristen-Visums niemals länger als 3 aufeinander folgende Monate dort auf. Die meiste Zeit lebt er in seinem Haus in Deutschland, wo er auch ein Konto unterhält. Welches Recht wird ein Nachlassgericht in Florida anwenden?
In diesem Beispiel hat E hat kein Domizil in Florida, weil er sein Domizil in Deutschland niemals aufgegeben hat. Das Nachlassgericht in Florida wird daher bezüglich des Bankkontos in Florida materielles deutsches Erbrecht anzuwenden haben, bezüglich der Ferienwohnung in Florida aber das Erbrecht von Florida. Wenn E dagegen seit Jahrzehnten in Florida leben würde und nur noch sporadisch nach Deutschland reisen würde, hätte er sein Domizil in Florida und das Nachlassgericht in Florida würde auch bezüglich des Bankkontos das Erbrecht von Florida anwenden.
Eine besondere Kollisionsnorm bezüglich der Formwirksamkeit von Testamenten lässt es zu, dass dieses auch dann durch das Nachlassgericht in Florida aufrecht erhalten wird, wenn es nach dem Recht des Ortes, an dem das Testament errichtet wurde, formwirksam ist (Sect. 732.502 (2) Florida Probate Code[1] und In Re Salathe 703 So 2d, 1167 (1997))). Das gilt aber gerade nicht für handschriftliche Testamente (holographic wills), die ohne die Mitwirkung von Zeugen errichtet wurden. Es gilt damit nicht für die meisten deutschen Testamente, da das deutsche Erbrecht für private Testamente ausdrücklich Handschriftlichkeit vorschreibt und grundsätzlich keine Zeugen erforderlich sind (§ 2247 BGB).
Beispiel 2: Deutsches Testament in Florida
Kurz vor seinem Tode errichtet E ein handschriftliches Testament in Deutschland, das er mit Datum versieht und unterschreibt. E ist unverheiratet, hinterlässt aber einen Sohn S in Deutschland, dessen Lebenswandel ihm nicht passt. E setzt deshalb seine deutsche Nichte N als Alleinerbin seines ganzen Vermögens weltweit in dieses Testament ein. E stirbt in Deutschland. Wird ein Nachlassgericht in Florida das Alleinerbe von N anerkennen?
Nein, weil ein formwirksames Testament in Florida die Anwesenheit und Unterschrift von zwei Zeugen voraussetzt, wird das Nachlassgericht in Florida, das in Deutschland errichtete Testament für formnichtig erklären (In Re Salathe 703 So 2d, 1167 (1997)). An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn E ein öffentliches Testament in Deutschland errichtet oder einen notariellen Erbvertrag abschließt. Auch diese Urkunden werden in Deutschland regelmäßig ohne die Unterschrift von zwei Zeugen errichtet.. Zumindest bezüglich der Ferienwohnung in Florida tritt daher die gesetzliche Erbfolge ein und E wird diese erhalten.
II.) Kollisionsrecht Deutschland
Deutsches Erbrecht ist immer dann anwendbar, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes die deutsche Staatsangehörigkeit besaß (Art. 25 EGBGB). Eine Ausnahme davon gilt dann, wenn ein deutscher Erblasser Immobilien in einem Land vererbt, dessen Kollisionsrecht bezüglich des Grundvermögens auf dem Standpunkt steht, dass Grundvermögen immer nach dem Recht des Landes, in dem das Grundstück belegen ist, vererbt wird. In diesen Fällen wird auch das deutsche Nachlassgericht ausländisches Recht anwenden (Art. 3 Abs. 3 EGBGB, BGH NJW 93,1920). Jedoch steht die neuere deutsche Rsprechung auf dem Standpunkt, dass es einem deutschen Erblasser gleichwohl möglich sein soll, Grundvermögen in Florida in der Form eines eigenhändigen deutschen Testamentes ohne Zeugen formwirksam zu vererben (BGH, Urteil vom 07.07.2004, Az: IV ZR 135/03).
Beispiel: Deutsches Testament in Deutschland
Obwohl N in oben genanntem Beispiel nicht Eigentümerin der Ferienwohnung in Florida wird, da das deutsche Testament ohne Zeugen dort formnichtig ist, sondern E als gesetzlicher Erbe, erhält N ein deutsches Urteil, durch das sie Erbin dieser Wohnung werden soll. Zu ihren Lasten und zu Gunsten von E, der in Deutschland nur Pflichtteilsansprüche erworben hat, ist eventuell sogar nach einem neueren BGH-Urteil (BGH, Urteil vom 7.07.2004, Az. IV ZR 135\03) in Abkehr von der früheren Rspr. der Wert dieser Ferienwohnung bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche des E zu berücksichtigen.
C.) Gesetzliche Erbfolge
Falls keine Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind, erbt der überlebende Ehegatte alles (Sect. 732.102 (1)). Wenn alle vorhandenen Abkömmlinge aus der Ehe des Erblassers mit dem überlebenden Ehegatten hervorgegangen sind, erbt dieser die ersten $ 60.000, und der darüber hinausgehende Teil des Gesamtnachlasses wird zwischen dem Ehegatten und den Abkömmlingen nach Köpfen geteilt (Sect. 732.102 (2)). Die gesetzlichen Erben der nachfolgenden Ordnung sind: die Eltern des Erblassers, seine Geschwister und deren Abkömmlinge, weitere Verwandtschaft (Sect. 732.103) und letztlich der Staat (Escheat) (Sect. 732.107).
D.) Testamentarische Erbfolge
I.) Testierfährigkeit und Testierfreiheit
Testierfähig ist, wer über 18 Jahre und in vollem Besitz seiner Geisteskräfte ist (Sect. 732.103). Der Testierfreiheit werden inhaltlich nur geringe Beschränkungen auferlegt. Eine inhaltliche Beschränkung ist das Pflichtteilsrecht (elective share) bezüglich überlebender Ehepartner, eine andere das Verbot von Strafklauseln, durch die versucht wird, die Anfechtung des Testamentes zu sanktionieren.
II.) Formerfordernisse
In förmlicher Hinsicht setzt ein wirksames Testament in Florida voraus,
* dass dieses schriftlich -(vorzugsweise in Maschinenschrift !) - errichtet wird
* dass es durch den Testierenden und durch zwei Zeugen in der Gegenwart des Testierenden und in bei gleichzeitiger Anwesenheit untereinander am Ende des Textes unterschrieben wird (Sect. 732.502).
Anders als in anderen Bundesstaaten z.B. Kalifornien müssen diese Zeugen nicht vollkommen neutral sein, sondern es können auch testamentarische Erben sein, ohne dass daraus die relative Unwirksamkeit des Testamentes folgt (Sect. 732.504 (2)). Einzelne Klauseln können durch Bezugnahme auf andere Schriftstücke, z.B. auf Vermögensverzeichnisse, formuliert werden (Sect. 732.512 und Sect. 732.515). Deutsche privatschriftliche Testamente genügen diesen Anforderungen regelmäßig nicht (In Re Salathe 703 So 2d, 1167 (1997)), da es an den erforderlichen Zeugen fehlt und diese Testamente handgeschrieben sind. Ein Anhang (codicile), der das Testament erweitern oder ändern soll, muss zu seiner Formwirksamkeit die gleichen Voraussetzungen wie ein Testament erfüllen (Sect. 732.103)
III.) Widerruf und Widerruf-Widerruf
Wie in Deutschland gilt, dass ein (formwirksames) späteres Testament ein vorhergehendes widerruft (Sect. 732.507). Ferner kann ein Testament durch den Testierenden dadurch widerrufen werden, dass es mit dem Vorsatz es zu widerrufen physisch zerstört wird (Sect. 732.506). In Abkehr vom traditionellen Fallrecht bewirkt der Widerruf eines widerrufenen Testamentes in Florida nicht, dass dasjenige Testament, dass durch den ersten Widerruf widerrufen wurde, wieder auflebt (Sect. 732.508), sondern es tritt dann die gesetzliche Erbfolge ein. Eine Scheidung oder eine Annullierung der Ehe zwischen dem Testator und einem testamentarisch begünstigten Erben bewirkt die Unwirksamkeit der diesbezüglichen Erbeinsetzung (Sect. 732.507(2)).
IV.) Anfechtungsgründe
Die Gründe, aus denen ein Testament angefochten werden kann sind: Betrug, Drohung, Irrtum des Erblassers und unzulässige Einflussnahme auf diesen (Sect. 732.5165).
E.) Pflichtteilsrecht
I.) Ehepartner
Florida gehört zu denjenigen Bundesstaaten, die zugunsten überlebender Ehepartner eine Art von Pflichtteilsanspruch (elechtive share) eingeführt haben, der jedem überlebenden Ehepartner 30% des Gesamtnachlasses sichern soll (Sect. 732.201-732.2155). Die Ehegatten können auf diesen Pflichtteil im Voraus verzichten, die entsprechenden Verzichtserklärungen müssen aber in der gleichen Form wie ein Testament abgegeben werden (Sect. 732.702).
Wie in fast allen Bundeststaaten wurden die traditionellen Regeln, die die Versorung des überlebenden Ehepartners sichern sollten, in Florida abgeschafft (Sect. 732.111). Nach diesen Regeln, "dower and curtesy", hatte jede überlebende Ehefrau ein lebenslanges Nutzungsrecht an einem Drittel des Landes, das der Ehemann besaß, und jeder überlebende Ehemann an allem Land, das die Frau besaß. Eine moderne Modifikation dieser alten Rechtsinstitute findet sich aber darin, dass bezüglich eines Familienheimes, jeder überlebende Ehepartner - ( gleich welchen Geschlechts ) - und jedes minderjährige Kinder mindestens ein Wohnrecht bis zum Tode des überlebenden Ehegatten haben (Sect. 732.401f.).
II.) Abkömmlinge
Wie die meisten US-Bundesstaaten kennt Florida kein Pflichtteilsrecht von überlebenden Abkömmlingen. Es gibt zwar eine Regelung im Florida Probate Code, die auf den ersten Blick den Anschein erweckt, als existiere ein Pflichtteilsrecht von Ehegatten und Kindern (Sect. 732.301 and 732.302 unter den Überschriften: "Pretermitted Spouse and Children"). Nach diesen Vorschriften wird aber nur vermutet, dass im Testament übergangene Kinder, die erst nach Errichtung des Testamentes geboren wurden und übergangene Ehepartner eine Ehe, die erst nach Errichtung des Testamentes geschlossen wurde, durch den Erblasser schlicht vergessen wurden. Sie haben einen Anspruch auf die Hälfte dessen, was sie bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge erhalten würden (Sect. 732.301 and 732.302). Ziel dieser Vermutungen ist daher anders als im deutschen Pflichtteilsrecht nicht die Testierfreiheit des Erblassers zugunsten der Grundsicherung der Pflichtteilsberechtigten zu beschränken. Dieses Ziel ist den Erblasser davor zu schützen zu vergessen sein altes Testament einer neuen Familiensituation anzupassen. Wenn er seinen nach Erbfall geborenen Abkömmlingen oder kurz vor dem Tod geheirateten Ehepartnern absichtlich nichts hinterlassen will, ist er dazu nicht verpflichtet (Sect. 732.301 (3) and 732.302 (1)).
Zugunsten unerhaltsberechtigter Kinder kann das Nachlassgericht aber anordnen, dass ein Betrag von bis zu $ 18.000 aus dem Nachlass bereits vor Beendigung des Nachlassverfahrens an diese ausgezahlt wird (Sect. 732.403).
F.) Verfahren
Der grundlegende Unterschied zwischen deutschem und dem Erbrecht Floridas liegt darin, dass in Deutschland der Nachlass im Moment des Todes als Ganzes auf die Erben übergeht, (so genannte Universalsukzession), während er in Florida wie in fast allen US-Bundesstaaten und den meisten anderen Ländern, die zum Rechtskreis des common law gehören, zunächst auf einen Treuhänder (executor, administrator oder personal representative) übergeht, der den Nachlass abwickelt und diesen erst nach der Abwicklung den Nachlasses (z.B. Ermittlung weiterer Erben, Begleichung der Nachlassschulden, ggf. Verkauf von Immobilien) an die Erben verteilt. Vereinfacht lässt sich eventuell sagen, dass nach diesem Verständnis Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung die Regel sind, während sie nach deutschem Verständnis die Ausnahme bilden.
I. Bestätigung des Testamentes durch Probate Verfahren
Im Falle der testamentarischen Erbfolge ist es grundsätzlich erforderlich, dass das Testament beim Nachlassgericht in Florida abgeliefert wird. Insofern ist jede Person, die im Besitz eines Testamentes ist, verpflichtet, dieses beim Nachlassgericht innerhalb von 10 Tagen ab Kenntnis des Todes abzuliefern (Sect. 732.901). Erst nachdem das Gericht die Wirksamkeit des Testamentes bestätigt hat und dieses nicht angefochten wurde, entfaltet das Testament überhaupt rechtliche Wirksamkeit (Sect. 733.103(1)). Antragsberechtigt ist jede Person, die ein rechtliches Interesse an der Anerkennung des Testamentes hat (Sect. 733.202).
II. Ernennung eines Nachlassverwalters
Falls das Gericht das Testament im Probate-Verfahren bestätigt oder die gesetzliche Erbfolge eintritt, besteht der nächste Schritt darin zu beantragen, einen Nachlassverwalter (personal representative) zu ernennen. Dieser wird durch einen letter of administration" legitimiert. Wird dieser bereits im Testament ernannt, folgt das Gericht regelmäßig der Anordnung des Erblassers. Andernfalls und dann, wenn die gesetzliche Erbfolge eintritt, kommt jeder Erbe als Nachlassverwalter in Betracht. Im Falle der testamentarischen Erbfolge kann derjenige Erbe ernannt werden, der die Mehrheit der Stimmen aller Miterben auf sich vereint, im Falle der gesetzlichen Erbfolge daneben der überlebende Ehegatte oder derjenige Erbe, der dem Erblasser im Verwandtschaftsgrad am nächsten steht (Sect. 733.301). Anders als in Kalifornien können auch Personen, die keinen Wohnsitz oder kein Domizil in Florida haben, ernannt werden, wenn sie Ehepartner des Erblassers sind oder in gerade Linie mit dem Erblasser blutsverwandt (Sect. 733-304).
Sofern das Gericht nichts anderes anordnet, muss der Nachlassverwalter Sicherheit in Höhe des Gesamtnachlasswertes leisten um sicherzustellen, dass dieser den Nachlass nicht veruntreut. Das kann in Form einer Bankbürgschaft geschehen (Sect. 733.402-733-406). Der Nachlassverwalter hat die Aufgabe den Nachlass abzuwickeln, also z.B. ein Inventar zu erstellen, Nachlassschulden zu begleichen, Steuern zu zahlen, Vermächtnisse auszukehren, Immobilien ggf. zu verkaufen. Der Verwalter erhält dafür eine angemessene Entschädigung, deren Höhe vom Aufwand und vom Nachlasswert abhängt. Nach Abwicklung des Nachlasses hat er Bilanzen über die ordnungsgemäße Verwaltung aufzustellen, deren Richtigkeit durch das Nachlassgericht geprüft wird. Erst danach wird er entlastet und der Restnachlass an die testamentarischen Erben ausgekehrt.
III.) Verfahrensvereinfachungen bei Auslandsberührung?
Vereinfachte Verfahren sind dann möglich, wenn Erben nur der Ehegatte oder Abkömmlinge sind, keine Grundstücke vorhanden sind und der Wert des Gesamtnachlasses weniger als $ 60.000 beträgt (Sect. 735.101). In Fällen testamentarischer Erbfolge mit Auslandsberührung gibt es ferner zahlreiche Verfahrensvereinfachungen: Sect. 734.101 "Foreign Personal Representative; Sect 734.1025 "Nonresident decedent´s testate estate less than $ 50.000" und Sect. 734.104 "Foreign Wills, admission to record" und Sect. 734.102(3) Ancillary Probate Proceedings. Diese setzen aber allesamt voraus, dass das ausländische Testament auch in Florida formwirksam ist, was in Bezug auf deutsche Testamente mangels Zeugen nie der Fall sein wird. Die Durchführung dieser Verfahren ist daher nur dann näher zu erwägen, wenn der Erblasser ein in Florida formwirksames Testament hinterlassen hat und die übrigen Voraussetzungen des jeweiligen Verfahrens, z.B. das Unterschreiten bestimmter Nachlasswerte, erfüllt sind.
G.) Verschiedenes
I.) Was nützt ein deutscher Erbschein in Florida?
Zusammenfassend: Er nutzt Nichts. Zwar gibt es eine Reihe von Normen im Probate Code, die auf den ersten Blick den Anschein erwecken, als wäre es möglich, auch mit einem ausländischen Erbschein oder einem ausländischen Testament, in Florida einen zusätzlichen auf Florida beschränkten Erbschein (letters of administration) zu erhalten.[2] Dieser Eindruck ist aber falsch, weil Ausland im Sinne dieser Vorschriften sich meistens nur auf andere U.S. Bundesstaaten oder Territorien bezieht (siehe z.B. Sect. 734.101(1)) und die Anwendbarkeit dieser Verfahren davon abhängig ist, dass ein Testament vorliegt, das den Formvorschriften Floridas für Testamente (Maschinenschrift, zwei Zeugen) genügt.[3] Diese Verfahren sind daher einschlägig, wenn es darum geht Testamente und "letters administration" aus anderen Ländern, die zum Rechtskreis des common law gehören, in Florida durchzusetzen, gerade das gilt aber nicht für Deutschland.
II.) Welches Verfahren sollte in Florida eingeleitet werden?
Wenn es eine testamentarische Verfügung gibt, die den Formerfordernissen Floridas genügt, stehen die eben beschriebenen nachrangigen Nachlassverfahren ("ancillary probate proceedings", "admission of foreing will" und "foreign personal representative" und summary probate if testator non-resident and estate less than $ 50.000) zur Verfügung. Sofern das nicht der Fall ist, folgt daraus, dass bezüglich des in Florida gelegenen Vermögens die gesetzliche Erbfolge nach dem Rechte Floridas (Sect. 732.101 - 732.107) selbst dann eintritt, wenn es ein in Deutschland formwirksames Testament gibt. Für den in Florida befindlichen Teil des Nachlasses können dann die gesetzliche Erben einen "letter of administration" beim zuständigen Probate Court beantragen. Anders als in anderen Staaten können auch Nicht-Bewohner Floridas Nachlassverwalter werden, sofern sie direkte Blutsverwandte oder Ehepartner des Erblassers sind (Sect. 733.304).
III.) Wie errichtet man ein formwirksames Testament in Florida?
Theoretisch ist es möglich bei ausreichend vorhandenen Englischkenntnissen ein Formular im Internet zu kaufen, dieses den eigenen Erfordernissen anzupassen und es in Gegenwart zweier Zeugen zu errichten, indem der Erblasser selbst und die beiden Zeugen das Testament jeweils am Ende des Textes unterschreiben. Vor diesem Vorgehen ist eindringlich zu waren. Kostengründe sollten nicht ausschlaggebend sein, um ohne fachmännischen Rat ein Testament - noch dazu in Erbfällen mit Auslandsberührung - zu errichten. Man sollte entweder einen deutsche Anwalt, der mit beiden Rechtsordnungen vertraut ist, zu Rate ziehen oder in den USA einen Rechtsanwalt einschalten.
III.) Pflichtteilsentziehung durch Auslandkonstruktionen?
In Deutschland wie in den meisten Ländern, die ein Pflichtteilsrecht erwachsener Kinder anerkennen, ist es praktisch nur sehr selten möglich, einem Abkömmling den Pflichtteil wirksam zu entziehen. Dafür reicht nicht aus, dass dieser das sprichwörtlich schwarze Schaaf der Familie ist, sondern er muss dem Erblasser nach dem Leben getrachtet haben (§ 2333 BGB) oder einen "unehrenhaften und verworfenen Lebenswandel führen " (§ 2333 Nr. 5 BGB). Die Verfassungsmäßigkeit dieser hohen Anforderungen an eine wirksame Pflichtteilsentziehung wurden erst kürzlich durch eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt (BVerfGE v. 3.05.2005, Az. 1 BvR 1644\00 und Az. 1 BvR 188\03).
Da es in Florida, genauso wenig wie in den meisten anderen Jurisdiktionen, die zum Rechtskreis des common law gehören[4], ein Pflichtteilsrecht zugunsten erwachsener Kinder gibt, kann man sich im Interesse der Testierfreiheit fragen, welche Möglichkeiten es neben der von deutschen Notaren gerne empfohlenen Schenkung unter Lebenden unter Anrechnung auf den Pflichtteil gibt, um mit Hilfe von Auslandskonstruktionen Pflichtteilsansprüche auszuschließen.
Nachdem das deutsche IPR auf dem Gebiet des Erbrechts mit Ausnahme für inländische Immobilien (Art. 25 Abs. 2 EGBGB) von Erblassern, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen keine Rechtswahlfreiheit kennt, ist der sicherste Weg vermutlich die Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft, die Begründung eines dauerhaften Lebensmittelpunktes im angelsächsischen Ausland[5] und der Ankauf von möglichst vielen dort gelegenen Immobilien. Während die ersten beiden Möglichkeiten sicherlich nur selten erwägenswert sind, ist zumindest der Ankauf von Immobilien im angelsächsischen Ausland mit Sicherheit eine denkbare Alternative.
1.) Sind Immobilien in Florida bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nach der Entscheidung des BGH vom 7.07.2004 (Az. IV ZR 135/03) immer zu berücksichtigen?
Seit kurzem (vgl. BGH vom 7.07.2004 Az. IV ZR 135/03) ist aber fraglich, ob dieser Ausweg, zur Reduzierung des Pflichtteilsanspruchs Immobilien in Florida zu kaufen, überhaupt noch besteht. Es wird vertreten, der BGH-Entscheidung sei zu entnehmen, dass ausländischer Grundbesitz, zumindest in Bezug auf die USA, in Fällen der Nachlassspaltung bezüglich der Berechnung deutscher Pflichtteilsansprüche in Abkehr von der bisherigen Rspr. nun immer und in voller Höhe zu berücksichtigen ist (Baur: Neue BGH-Entscheidung mit weit reichenden Folgen für Florida Grundstücksbesitzer unter: www.worldwidelaw.com).
Seit Ergehen der Entscheidung steht fest, dass es mindestens einen Fall gibt, in dem der BGH im Ergebnis dazu kommt, dass trotz Nachlassspaltung und Formunwirksamkeit des deutschen Testamentes in Florida, der Wert der dort gelegenen Immobilie in die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs mit einzubeziehen ist. Das kann zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass die testamentarischen Erben in Deutschland einen Pflichtteilsanspruch der gesetzlichen Erben begleichen müssen, bei dessen Berechnung auch die Immobilie in Florida zu berücksichtigen ist, obwohl diese testamentarischen Erben aufgrund der Formnichtigkeit des Testamentes in Florida niemals Eigentümer dieser Immobilie werden; sondern diese letztlich an die gesetzlichen Erben fällt, die in Deutschland auch noch Pflichtteilsansprüche besitzen (Baur aaO. mit weit. Beispielen).
Die Begründung trägt aber M.E. nicht den Schluss, dass von nun an grundsätzlich Immobilien in Florida in die Berechnung des Pflichtteilanspruchs einzubeziehen sind. Dagegen spricht, dass der BGH in diesem konkreten Fall durch Auslegung des Testamentes dazu kommt, anzunehmen, dass ein Vermächtnis i.H.d. Pflichtteils beabsichtigt gewesen sei und keine Beschränkung auf den Pflichtteil. Die Abgrenzung wird danach vorgenommen, ob der Testierende dem Pflichtteilsberechtigten etwas zuwenden wollte oder ob er ihnen nur belassen wollte, was er ihnen nicht entziehen konnte (BGH aaO.). Aufgrund bestimmter Formulierungen in dem Testament nahm der BGH den ersten Fall an, da dem Testament keine Beschränkung darauf zu entnehmen war, dass der Erblasser sich der Nachlassspaltung bewusst gewesen sei und er auch gewollt habe, dass der in Florida gelegene Teil des Nachlasses mit in die Pflichtteilsberechnung aufgenommen werden soll.
Nach meinem Dafürhalten folgt daraus im Umkehrschluss, dass es in den Fällen, in denen der Erblasser im Testament deutlich zum Ausdruck bringt, das er nicht möchte, dass der Nachlass in Florida in die Pflichtteilsberechnung einfließen soll, bei dem bisherigen Grundsatz bleibt, wonach diese Grundstücke nicht in die Berechnung des deutschen Pflichtteilsanspruches einzustellen sind. Nach diesem Verständnis ist die Entscheidung des BGH vom 7.07.2004 Az. IV ZR 135/03 daher auf die besonderen Umstände dieses Einzelfalles beschränkt und enthält keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, nach der der Wert von im Ausland belegenen Grundstücken in Fällen der Nachlassspaltung nicht in die Berechnung des Pflichtteilsanspruches einzubeziehen sind. Lediglich dann, wenn keine Beschränkung auf den Pflichtteil anzunehmen ist, sondern ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteiles gilt das Gegenteil.
2.) Bilden Trusts eine Möglichkeit der Beschränkung von Pflichtteilsansprüchen?
Schließlich hat sich zur Umgehung von Pflichtteilsansprüchen mittlerweile eine Industrie von Trust Companies´ gebildet, die versucht, Erblassern zu helfen, die Staatsangehörige solcher Länder sind, in denen ein Pflichtteilsrecht auch zugunsten ungeliebter Kinder besteht - ( so wie in Deutschland oder Frankreich), Solchen Erblassern sollen aufwendige Auslandskonstruktionen schmackhaft gemacht werden. So wird z.B. damit geworben, der Erblasser könne sein ganzes Vermögen in einen Trust überführen. Hierbei handelt es sich um eine dreiseitige treuhänderische Rechtsbeziehung. Der Trust nimmt seinen Sitz in einem Land ohne Pflichtteilsrecht, das möglichst noch eine Steueroase sein soll. Dass diese Konstruktion vor einem deutschen Gericht funktioniert, ist mehr als fraglich. Deutschland ist nicht Mitglied eines Staatsvertrages über die Anerkennung von Trusts und diese sind dem deutschen Recht auch vollkommen fremd. Daraus lässt sich folgern, dass diese Rechtsform einem deutschen Staatsangehörigen vollkommen verwehrt ist, da es keine -bzw. nur eine beschränkte- Rechtswahlfreiheit im Bereich des Erbrechts gibt. Bezüglich der Bestimmung der Erbfolge ist auf eine Entscheidung des BGH zu verweisen, in der die Errichtung eines Trusts durch einen deutschen Staatsangehörigen in ein Testament umgedeutet wurde, in dem der Testierende einen Testamentsvollstrecker ernannt hat. Das sagt aber über die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Trust-Vermögen bezüglich der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nichts aus. Soweit der Trust ausländisches Grundvermögen hält, unterfällt dieses ohnehin den grundsätzlich der Nachlasspaltung, soweit der Staat des Lageortes die Anwendung des Lagerechts vorschreibt., Folglich bietet der Trust weder Vorteile noch weiteren Schutz. Fragen könnte man sich lediglich, ob dieser einen Schutz bezüglich des Zugriffs auf bewegliches Vermögen bietet.
H) Fragen, auf die Sie gefasst sein sollten, wenn Sie einen Anwalt einschalten
Auf die nachfolgenden Fragen sollten Sie Antworten bereithalten, wenn sie deutscher Erbe eines Erblassers in den USA sind, der Erbfall vor kurzem eingetreten ist und Sie einen Anwalt mit der Verfolgung ihrer Ansprüche beauftragen:
1. Welche Staatsangehörigkeit hatte der Erblasser und wo war sein Lebensmittelpunkt zum Zeitpunkt des Erbfalles?
2. Hatte der Erblasser zwei Staatsangehörigkeiten? Ist er auch Deutscher gewesen, lässt sich eventuell hinsichtlich des beweglichen Nachlasses die Anwendung ausländischen Erbrechts umgehen.
3. Gibt es Aspekte, die dafür sprechen, dass der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland niemals aufgegeben hat, obwohl er sich bereits seit längerer Zeit im Ausland aufhielt?
4. Welche Vermögensgegenstände gehören zum Nachlass und wo befinden sich diese?
5. Gibt es ein oder mehrere Testamente?
6. Welche Verwandten und Ehepartner des Erblassers sind Ihnen bekannt?
7. Wenn sie sich in irgendeiner Form hintergangen fühlen, fragen Sie sich im eigenen Interesse zunächst, ob das nicht auch an Sprachproblemen oder gewissen kulturellen Unterschieden liegen kann. Wenn Sie diese Frage verneinen, fragen sie sich, wie viel sie in die Durchsetzung ihres Erbrechtes im Ausland investieren wollen und ob es wirklich eine Beweislage zu ihren Gunsten gibt.
8. Wenn der Erbfall erst vor sehr kurzem eingetreten ist, denken sie daran, dass die erfolgreiche Verfolgung ihrer Rechte davon abhängt, wie gut sie selbst den Sachverhalt aufklären. Wenn sie einen Flug in die USA planen, prüfen sie welche Fluggesellschaften bei kurzfristigen Todesfällen, Rabatte gewähren.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die meisten Rechtsschutzversicherungen in erbrechtlichen Streitigkeiten mit Auslandsbezug nur insoweit eintreten, als deutsches Erbrecht anwendbar ist und insbesondere Übersetzungskosten und Kosten für ausländische Anwälte so gut wie nie übernehmen.
[1] Gesetzeszitate ohne Angabe sind solche des Florida Probate Code.
[2] siehe z.B. Sect. 734.101 "Foreign Personal Representative; Sect 734.1025 "Nonresident decedent´s testate estate less than $ 50.000" und Sect. 734.104 "Foreign Wills, admission to record" und Sect. 734.102(3) Ancillary Probate Proceedings.
[3] Siehe z.B. Sect. 734.1025(2); 734.104 (1) (a), die jeweils auf Sect. 732 verweisen. Das gilt auch für das ergänzende Nachlassverfahren "ancillary probate proceedings" gem. Sect. 734.102 (3) und Admission of a Will after foreign Probate unter Sect. 733.206, da die letztgenannte Vorschrift ebenfalls ein in Florida formwirksames Testament voraussetzt. .
[4] Die gesamte USA mit Ausnahme von Lousiana und praktisch alle Länder des ehemaligen britischen Empire inkl. Australien, Indien und teilweise Kanada.
[5] Nicht geeignet sind dagegen Länder im Verhältnis zu denen es aus deutscher Sicht nicht zu einer Nachlassspaltung bezüglich der dort gelegenen Immobilien kommt wie Spanien oder Italien oder die selbst über ein Pflichtteilsrecht von Abkömmlingen verfügen.
4. Der Widerruf eines Testamentes durch Heirat als kollisionsrechtliches Problem in anglo-amerikanischen Rechtsordnungen
von Rechtsanwalt Andre JahnDer Widerruf eines Testamentes durch Heirat als kollisionsrechtliches Problem in anglo-amerikanischen Rechtsordnungen
II. Die Widerrufsfiktion aus Sektion 18 Wills Act (England)
III. Der Meinungsstreit innerhalb des englischsprachigen Kollisionsrechts
I. Einleitung
Den Anlass für diesen Aufsatz bildet folgender Sachverhalt, der einem Fall aus der anwaltlichen Praxis nachgebildeter ist: Ein Staatsangehöriger des Britischen Königreiches mit den engsten Verbindungen zu dessen englischer Teilrechtsordnung setzt in einem formwirksamen Testament seine nicht-eheliche Lebensgefährtin, eine deutsche Staatsangehörige, zu seiner Alleinerbin ein. Anschließend heiraten beide in England. Der Mann stirbt. Zum Nachlass des Mannes gehört Grundvermögen in Deutschland. Der Mann hinterlässt zwei erwachsene Kinder aus einer vorherigen Ehe, die ihr ganzes Leben in England verbracht haben und die er ausdrücklich in seinem Testament übergeht. Tritt die testamentarische Erfolge zugunsten der Frau oder die gesetzliche Erbfolge zugunsten der Kinder ein, weil in England gem. Sektion 18 Wills Act eine Eheschließung ein Testament auch dann kraft Gesetzes widerruft, wenn die Ehe zwischen dem Testierendem und dem Erben geschlossen wird?
Abwandlung: vor der Eheschließung ziehen beide nach Deutschland, wo sie heiraten und bis zum Eintritt des Todesfalles zusammen leben.
Dieser Sachverhalt wirft eine kollisionsrechtliche Frage auf, die im deutschen Schrifttum und der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - noch nie behandelt wurde . Sie wird auch in der englischsprachigen Literatur kontrovers diskutiert und ist durch die englische Rechtsprechung bis heute nicht entschieden.
Zunächst beurteilt sich die Frage, ob eine nachfolgende Heirat ein Testament widerruft, gem. Art. 25 EGBGB nach dem Erbstatut / . Das englische Heimatrecht des Erblassers und das aller angelsächsischen Länder gehen vom Grundsatz der Nachlassspaltung aus. Nach diesem beurteilt sich das auf einen Nachlassfall anzuwendende Recht für bewegliche Sachen nach dem letzten Domizil des Erblassers und für unbeweglichen Nachlass nach der lex rei sitae. In Bezug auf deutsches Grundvermögen kommt es daher regelmäßig gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu einer Rückverweisung auf das deutsche Sachrecht. Das deutsche Sachrecht kennt keine Regel, nach der eine Heirat ein Testament widerruft, so dass, falls die Rückverweisung eingreift, das Testament in Bezug auf inländischen unbeweglichen Nachlass nicht durch die nachfolgende Eheschließung widerrufen würde. Die Frage ist aber, ob diese Rückverweisung auch in Bezug auf eine gesetzliche Widerrufsfiktion wie Sektion 18 Wills Act (England) gilt, nach der eine Heirat ein zuvor errichtetes Testament widerruft. Trotz der grundsätzlichen Qualifikation nach der lex fori, entscheidet in dieser Konstellation das ausländische Kollisionsrecht über das Vorliegen und die Reichweite dieser Rückverweisung und über die Qualifikation . Innerhalb des englischen Kollisionsrechts wird vertreten, Sektion 18 Wills Act als eherechtlich zu qualifizieren. Es wäre dann an das Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt der Eheschließung anzuküpfen, unabhängig davon, ob es um beweglich oder unbewegliche Sachen geht . Wenn man dem folgt, würde es für diese Frage nicht zur Rückverweisung auf das deutsche Sachrecht kommen. Ein deutsches Gericht hätte im Ausgangssachverhalt die Widerrufsfiktion in Bezug auf inländisches Grundvermögen anzuwenden. In der Abwandlung des Ausgangssachverhalts würde die Widerrufsfiktion dagegen nicht eingreifen, weil das Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland lag.
Bevor auf die unterschiedlichen Positionen innerhalb des englischsprachigen Kollisionsrechts eingegangen wird, ist ein kurzer materiellrechtlicher Exkurs zu Widerrufsfiktionen wie Sektion 18 Wills Act angebracht.
II. Die Widerrufsfiktion aus Sektion 18 Wills Act (England)
1.) Die Entwicklung in England und den Staaten des Commonwealth
In England, in den meisten Ländern des Commonwealth und in sehr wenigen Bundesstaaten der USA widerruft eine Heirat ein zuvor errichtetes Testament . Das soll den zukünftigen Ehepartner und etwaige aus der Ehe entstehende Nachkommen vor testamentarischen Verfügungen zugunsten Dritter schützen . Gleichwohl gelten diese Widerrufsfiktionen nicht nur in Bezug auf Verfügungen zugunsten Dritter. Sie gelten auch in Bezug auf testamentarische Verfügungen zugunsten zukünftiger Ehepartner. Wenn ein Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung ein Testament errichtet, in dem er den anderen Partner dieser Gemeinschaft zum Erben einsetzt und mit der Unterzeichnung und der Datierung bis nach der Heiratszeremonie wartet, ist das Testament wirksam. Wenn es eilig ist und das Testament vor der Eheschließung datiert und unterzeichnet wird, wird das Testament in dem Moment kraft Gesetzes widerrufen, in dem das Ja-Wort gesprochen wird .
In ihrer ursprünglichen Form sagte diese Regel, dass das Testament einer unverheirateten Frau mit der Eheschließung widerrufen wurde, weil sie nach ihrer Heirat nicht mehr testierfähig war . Das vor der Heirat errichtete Testament eines Ehemannes wurde dagegen nicht mit der Heirat widerrufen, sondern erst nachdem aus der Ehe Nachkommen entstanden waren . Mit der gesetzlichen Kodifizierung der Regel durch Sektion 18 Wills Act wurde diese Ungleichbehandlung der Geschlechter zumindest in England abgeschafft . Gesetzgeberisches Ziel war die Versorgung von Nachkommen aus der Ehe zu sichern . Von denjenigen Staaten, in denen heute noch eine entsprechende Widerrufsfiktion gilt, stellen nur zwei die weitere Voraussetzung auf, dass aus der Ehe Nachkommen entstehen müssen, damit das Testament als widerrufen gilt . Obwohl die rechtspolitische Berechtigung des Widerrufs eines Testamentes durch nachfolgende Heirat von erbrechtlichen Reformbestrebungen in den betroffenen Ländern bezweifelt wird , halten die meisten Länder des ehemaligen Commonwealth bis heute an ihr fest. Allerdings hat die Regel einige Auflockerungen erfahren: so gilt das Testament nach den meisten gesetzlichen Regelungen der Jurisdiktionen des Commonwealth dann nicht als widerrufen, wenn aus der Testamentsurkunde selbst unmittelbar ersichtlich ist, dass diese in Ansehung einer baldigen Heirat errichtet wurde.
2.) Die abweichende Rechtsentwicklung in den USA
Anders als in den Jurisdiktionen des Commonwealth verlief die historische Rechtsentwicklung in den Vereinigten Staaten. Obwohl ursprünglich in den meisten Bundesstaaten eine Widerrufsfiktion ähnlich Sektion 18 Wills Act galt, trifft dieses heutzutage nur noch auf 8 von 55 Bundesstaaten zu . In den anderen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das moderne Erbrecht elegantere Regelungsmodelle betreffend der Daseinsfürsorge für nahe Angehörige auf dem Gebiet des Erbrechts gibt . Das sind in den USA allerdings niemals Noterben - oder Pflichtteilsrechte, die man in kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen antrifft. Es handelt sich dagegen um Regelungen, nach denen vermutet wird, dass der Erblasser vergessen hat sein Testament zu ändern, falls Nachkommen nach der Errichtung des Testamentes entstehen oder eine Ehe nach Errichtung des Testamentes geschlossen wird und der Ehepartner oder der Nachkömmling in dem Testament übergangen werden . Auch lässt die US-amerikanische Rechtsprechung und die einiger Commonwealth Länder es mitunter zu, dass auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände herangezogen werden dürfen, um zu beweisen, dass es nicht die Absicht des Testierenden war, dass das Testament durch die nahende Heirat widerrufen werden sollte . In Bezug auf diejenigen wenigen US-Bundesstaaten, in denen noch eine entsprechende Widerrufsfiktion gilt,stellt sich nicht das nachfolgend behandelte kollisionsrechtliche Problem, weil durch die US-amerikanische Rechtsprechung gesichert ist, dass der Grundsatz der Nachlassspaltung auch für die Frage des Widerrufs eines Testamentes durch Heirat gilt, ohne dass die Frage, ob eine entsprechende Widerrufsfiktion als erbrechtlich oder als eherechtlich zu qualifizieren ist, überhaupt diskutiert wird .Folglich wird im Verhältnis von Deutschland zu diesen Bundesstaaten bezüglich inländischen unbeweglichen Nachlasses immer auf die deutsche lex rei sitae zurückverwiesen, nach der eine Heirat ein Testament nicht widerruft.
III. Der Meinungsstreit innerhalb des englischsprachigen Kollisionsrechts
Das nachfolgend behandelte Problem stellt sich aber im Verhältnis Deutschlands zu England und den meisten Staaten des ehemaligen Commonwealth. In diesen wird vertreten, dass die Frage, welche Rechtsordnung über das Eingreifen einer entsprechenden Widerrufsfiktion zu entscheiden hat, als eherechtlich zu qualifizieren ist. Dabei wird an das Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt der Eheschließung angeknüpft . Ob das auch für Grundvermögen gilt oder ob es in Bezug auf dieses bei dem Grundsatz der Nachlassspaltung bleibt und auf das Recht am Lageort des Grundstücks abzustellen ist, ist durch die englische Rechtsprechung nicht entschieden und ist im Schrifttum streitig . Diese Frage ist durch die Rechtsprechung für den Ausgangssachverhalt, in dem das Abstellen auf die deutsche lex rei sitae dazu führen würde, dass das Testament nicht widerrufen wird, nicht entschieden. Sämtlichen entschiedenen Fällen, in denen sich ein Gericht gegen das Abstellen auf die lex rei sitae entschieden hat, war gemeinsam, dass andernfalls das Testament widerrufen worden wäre. Im Ausgangssachverhalt würde das Abstellen auf die deutsche lex rei sitae, die keine Widerrufsfiktion entsprechend Sect. 18 Wills Act kennt, dagegen dazu führen, dass der Wille des Erblasser erhalten bleibt. Dieser Meinungsstreit kann damit vor einem deutschen Gericht dann relevant werden, wenn ein Erblasser, der Angehöriger eines Staates ist , nach dessen materiellem Erbrecht eine Heirat ein zuvor errichtetes Testament widerruft, in Deutschland gelegenes Grundvermögen hinterlässt und die testamentarischen Erben einen gegenständlich auf Deutschland beschränkten Fremdenerbschein gem. § 2369 BGB beantragen. Außerdem ist die Problematik im Rahmen der Nachlassplanung dann zu beachten, wenn Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft beraten werden, von denen zumindest einer die Staatsangehörigkeit eines Staates hat, der eine entsprechende Widerrufsfiktion kennt und abzusehen ist, dass das Paar in Zukunft heiraten wird.
1.) Die historische Entwicklung des Fallrechts
Innerhalb des englischen Präjudiziensystems stehen sich zwei heute noch bindende Entscheidungen gegenüber. In der Entscheidung, In Re The Earl of Caithless , ging es um ein Recht an einem in England liegenden Grundstück. Der Erblasser hatte sein Domizil in Schottland. Er setzte seine Verlobte zur testamentarischen Erbin ein. Nach schottischem Recht führt eine Eheschließung nicht zum Widerruf eines Testaments. In dieser Konstellation hat das Gericht nicht auf das schottische Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt der Eheschließung abgestellt, sondern auf das englische Lagerecht und angenommen, dass die nachfolgende Heirat das Testament jedenfalls in Bezug auf das englische Grundvermögen widerrief. Wenn man dieser Entscheidung folgt, ergibt sich im Ausgangssachverhalt, dass aufgrund des Abstellens auf die deutsche lex res sitae für in Deutschland gelegene Grundstücke die Widerrufsfiktion aus Sektion 18 Wills Act immer unbeachtlich ist.
Allerdings wird diese Entscheidung von denjenigen Vertretern im Schrifttum, die immer auf das Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt der Eheschließung abstellen, als eine misslungene Entscheidung angesehen, der ein englisches Gericht heute nicht mehr folgen würde . Diese Ansicht geht zurück auf die nachfolgende Entscheidung zu diesem Problem: In Re Martin , welcher nur bewegliche Sachen betraf. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass diese Qualifizierung auch in Bezug auf Grundstücke gelten soll . Das Verständnis dieser vierzigseitigen Entscheidung wird dadurch erschwert, dass die drei Richter der Berufungsinstanz, die durchweg jeweils eine eigene Urteilsbegründung verfassten, sich vorrangig mit einer Beweiswürdigung bezüglich des Domizils der Erblasserin auseinandersetzen . So findet sich der für die nachfolgende Rechtsentwicklung prägende Leitsatz, dass Sektion 18 Wills Act als eherechtlich zu qualifizieren sei, erst auf der letzten Seite des Urteils, ohne vorher hergeleitet worden zu sein. Das Hauptargument ist wohl der archaische Ursprung dieser Regel. Dieser liegt darin, dass bereits vor der Kodifikation von Sektion 18 Wills Act als Gesetzesrecht nach dem allgemeinen Common Law galt, dass eine Frau und all ihr Eigentum mit der Eheschließung Eigentum des Mannes wurde, sie folglich mit der Eheschließung die Verfügungsmacht über ihren Nachlass verlor und ein von ihr vor der Eheschließung errichtetes Testament deswegen als widerrufen galt. Eine weitergehende Begründung für diese Qualifikation als eherechtlich gibt es bis heute nicht. Die Vertreter im Schrifttum, die sich dieser Ansicht anschließen, und sie sogar auf unbeweglichen Nachlass erweitern, tun dies weithin begründungslos und weisen lapidar darauf hin, dass In Re Caithless eine schlechte Entscheidung gewesen sei, der man heute nicht mehr folgen sollte . Gleichwohl folgen dem momentan die meisten Provinzen Australiens und Kanadas mit Ausnahme von Quebec und die Republik Irland . Allerdings finden sich in den von den Vertretern dieser Ansicht zitierten Entscheidungen zwei, die der näheren Analyse lohnen. Die ältere stammt aus Kanada: Davies v. Davies . Die vergleichsweise aktuelle Entscheidung stammt aus Australien: In Re Estate of Micaleff / . Zunächst beschränken sich sowohl Justice Stuart in der Entscheidung Davies vs. Davies als auch Justice Holland in der Entscheidung Estate of Micaleff darauf anzuführen, dass zumindest dann, wenn man Sect. 18 Wills Act als eherechtlich qualifiziert, nicht einsichtig ist, warum ein Unterschied zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen zu machen sein soll . Beide stellen allerdings die Richtigkeit dieser Qualifikation nicht in Frage.
Justice Stuart bereichert die Diskussion um ein argumentum ad absurdum, zu der die gegenteilige Auffassung führen würde . Angenommen (1) ein Ehepartner hat zum Zeitpunkt der Eheschließung sein Domizil in einem Land, das keine Vorschrift kennt, nach der eine Heirat ein vorher errichtetes Testament widerruft - (wie Deutschland oder der Bundesstaat Montana, aus dem die Entscheidung Davies vs. Davies stammt ) - und er verfügt zu diesem Zeitpunkt nur über Geld. Ferner angenommen, dass man (2) der Ansicht folgt, dass es bezüglich des Widerrufs eines Testamentes, insoweit Grundstücke betroffen sind, auf die lex rei sitae ankommt. Dann würde (3) ein Testament, das zum Zeitpunkt der Eheschließung voll wirksam war, in dem Moment, in dem dieser Ehepartner sein Geld nimmt und ein Grundstück in einem Land kauft, in dem es eine Vorschrift gibt, nach der die Eheschließung ein zuvor errichtetes Testament widerruft - ( im von Justice Stuart zu entscheidenden Fall die kanadische Provinz Alberta ) - im Augenblick des Grundstückserwerbs in Bezug auf dieses unwirksam, obwohl es vorher wegen des Geldes, mit dem der Kauf finanziert wurde, wirksam war. Dieses Argument ist widerlegbar: Die Grundregel des Kollisionsrechts aller angelsächsischen Staaten auf dem Gebiet des Erbrechts ist, dass es in Bezug auf den beweglichen Nachlasses auf das Domizil des Erblassers ankommt und in Bezug auf unbeweglichen Nachlasses auf dessen Belegenheit. Daraus folgt, dass sich immer dann, wenn es zum Konflikt zweier Rechtsordnungen, z.B. um die Existenz von Pflichtteilsansprüchen von erwachsenen Kindern kommt, unterschiedliche Ergebnisse entstehen, je nachdem ob der Erblasser sein Geld bis zum Tode als bewegliche Sache behalten hat oder ob er es in Grundvermögen investiert hat. An diesen unterschiedlichen Ergebnissen nimmt innerhalb des Common Law Konfliktrechts auf dem Gebiet des Erbrechts niemand Anstoß. Folglich ist nicht ersichtlich, warum man das an den unterschiedlichen Ergebnissen im Falle des Widerrufs eines Testamentes durch nachfolgende Heirat tut.
Das tragende Argument, das Justice Holland seiner Entscheidung in dem Fall Estate of Micaleff letztlich zugrunde legt, hat mit der Frage der Qualifikation von Sektion 15 Wills, Probate and Administration Act (New South Wales), einer leicht entschärften Fassung von Sektion 18 Wills Act (England), weniger zu tun als man annehmen könnte. Der Sachverhalt, der ihm zur Entscheidung vorlag, warf folgende Frage auf: Widerruft eine zwischen zwei maltesischen Staatsangehörigen geschlossene Ehe, die zu diesem Zeitpunkt in Malta ihr Domizil hatten, ein vor der Eheschließung in Malta errichtetes Testament in Bezug auf Grundvermögen in New South Wales? Der materielle Gerechtigkeitsgrund, auf dem die Entscheidung von J. Holland in Micaleff letztlich beruht, ist die Erwägung, dass auf der Grundlage dieser Tatsachen schwer ersichtlich ist, welches Interesse die Rechtsordnung von New South Wales daran haben soll, um jeden Preis den Widerruf eines Testamentes durch vorherige Heirat von Ausländern im Ausland kraft Gesetzes gegenüber Ausländern durchzusetzen . Aus diesem Grund folgt Justice Holland der Entscheidung In Re Martin und nicht der Entscheidung In Re Caithless, indem er auf das Domizilrecht der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung statt auf die australische lex rei sitae abstellt, nach der das Testament widerrufen worden wäre.
2.) Abgrenzung des Ausgangssachverhalts vom bisherigen angelsächsischen Fallrecht
Denjenigen Entscheidungen, die gegen das Abstellen auf die lex rei sitae eintreten, für das die Entscheidung In Re Caithless steht, und die in Erweiterung der Entscheidung In Re Martin für die Anwendung des Domizilprinzip auch im Falle von Grundstücken plädieren, den Entscheidungen Davies v. Davies und Estate of Micaleff , ist Folgendes gemeinsam: In beiden Entscheidungen hätte das Abstellen auf die kanadische bzw. australische lex rei sitae jeweils dazu geführt, dass das Testament widerrufen worden wäre. Damit wäre der Wille des Testierenden enttäuscht worden. Die sich im Ausgangssachverhalt stellende Frage ist aber, ob das auch dann gilt, wenn das Abstellen auf die deutsche lex rei sitae dazu führt, dass das Testament nicht widerrufen wird und der Wille des Testierenden durchgesetzt wird. Will man den tragenden Grund, aus dem in der Entscheidung Micaleff, in Abgrenzung von der Entscheidung Caithless das Abstellen auf die lex rei sitae verneint wurde und auf das Domizil abgestellt wurde, auf den Ausgangssachverhalt sinngemäß anwenden, muss man sich folgende Frage stellen: Welches Interesse hat vorliegend die englische Rechtsordnung daran, Sektion 18 Wills Act in Bezug auf nicht in England sondern in Deutschland gelegenes Grundvermögen durchzusetzen? Sollen Nachkommen aus früheren Ehen, als derjenigen welche die Widerrufsfiktion in Gang gesetzt hat, geschützt werden, da diese im Falle des Widerrufs des Testamentes durch die dann geltende gesetzliche Erbfolge besser stehen als wenn das Testament wirksam wäre? Das ist nicht der Fall, denn das englische Erbrecht beschränkt die Testierfreiheit weder durch Pflichtteilsansprüche von erwachsenen Kindern noch durch Noterbenrechte . Es räumt dem Willen des Testierenden den absoluten Vorrang ein. Es ist damit kein Interesse der englischen Rechtsordnung erkennbar, Sektion 18 Wills Act auch im vorliegenden Fall betreffend deutsches Grundvermögen durchzusetzen. Ein englisches Gericht könnte auf der Grundlage der Entscheidungen In Re Martin, Estate of Micaleff, Davies v. Davies und Caithless nach wie vor auf die lex rei sitae abstellen, weil diese dazu führt, dass der Wille des Testierenden nicht enttäuscht wird. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den einzigen beiden Entscheidungen von Gerichten von anglo-amerikanischen Jurisdiktionen, die genau diesen Fall betreffen. In der Entscheidung Estate of Wimbush hat es das Berufungsgericht in Colorado ausdrücklich abgelehnt, die Widerrufsfiktion derjenigen Rechtsordnung, in welcher das Grundstück nicht belegen war, Hawaii, in Bezug auf ein Grundstück, das in derjenigen lex fori Rechtsordnung belegen war, das keine entsprechende Widerrufsfiktion enthält, Colorado, anzuwenden. Vielmehr wandte es die lex res sitae mit der Wirkung an, dass das Testament nicht widerrufen wurde. Auch das Nachlassgericht in New York hat sich in der Entscheidung Will of Culley letztlich geweigert, die heute noch in Massachusetts geltende Widerrufsfiktion gegenüber New Yorker Grundbesitz anzuwenden.
3.) Argumente für die erbrechtliche Qualifikation
Nach der vorzugswürdigen Ansicht im englischsprachigen Schrifttum verbietet es sich, aus der Entscheidung In Re Martin abzuleiten, dass die Entscheidung In Re Caithless überholt ist . Es verbietet sich ferner aus ihr zu schlussfolgern, dass auch bezüglich Grundeigentum das Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt der Eheschließung maßgeblich sei. Die Frage, ob eine nachfolgende Eheschließung ein Testament widerruft, wird von den Vertretern dieser Ansicht insgesamt als erbrechtlich qualifiziert. Deshalb sei es die Entscheidung In Re Martin, welche aufgehoben werden sollte . Im Fall von beweglichen Sachen wäre danach auf das Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes abzustellen und im Fall von unbeweglichem Nachlass auf die jeweilige lex rei sitae. Daraus würde gleichfalls folgen, dass es bezüglich des unbeweglichen Nachlasses nach wie vor auf die lex rei sitae ankommt. Diese Ansicht nimmt für sich eine neuere, aus Kanada (Ontario) stammende Entscheidung in Anspruch , nach der die verwandte Frage, ob eine Scheidung ein Testament widerruft, im Falle von Grundstücken immer nach der lex rei sitae des Grundstücke zu beurteilen ist. Für diese Auffassung werden zahlreiche Argumente angeführt, welche die Gegenauffassung bis heute nicht widerlegt hat.
Zunächst spricht für die Einordnung von Sektion 18 Wills Act als erbrechtlich der systematische Standort dieser Vorschrift in einem Gesetz, das die Voraussetzungen für die Errichtung eines wirksamen Testamentes aufstellt . In der Sache hatte bereits Justice Jeune in der Vorinstanz zu der Entscheidung In Re Martin angeführt, dass die rechtshistorische eherechtliche Qualifikation von Sektion 18 Wills Act nicht damit vereinbar ist, dass diese gesetzliche Kodifikation - anders als die ältere Regel des Fallrechts- nicht mehr zwischen Mann und Frau unterscheidet . Die Berufungsbegründung in In Re Martin hat es unterlassen, sich mit diesem Argument auseinander zu setzen und auch das ihr folgende Schrifttum hat das bis heute nicht nachgeholt. Gleiches gilt für das Argument von Justice Jeune, wonach der einzige Sinn und Zweck von Sektion 18 Wills Act, der heute noch erkennbar ist, darin liegt, Vorsorge für die aus der neuen Ehe entstehenden Nachkommen zu schaffen, damit diese nicht durch ein vor der Eheschließung errichtetes Testament benachteiligt werden . Dass einzig hierin der Sinn und Zweck der Widerrufsfiktion aus Sektion 18 Wills Act liegt, wird daran deutlich, dass es in England kein Pflichtteilsrecht von erwachsenen Abkömmlingen gibt . Es wird ferner daran deutlich, dass die alte Widerrufsfiktion des Common Law auch voraussetzte, dass aus derjenigen Ehe, durch welche das vorherige Testament widerrufen wurde, Nachkommen entstammen mussten, damit der Widerruf auch zu Lasten des vorher errichteten Testamentes eines Ehemanns durchgriff . Ferner lässt sich für diese Ansicht anführen, dass sie es bei der Nachlassspaltung als Grundregel des Konfliktrechts aller Jurisdiktionen des Common Law, soweit das Erbrecht betroffen ist, belässt, so dass es in Bezug auf unbewegliches Vermögen auf die lex rei sitae und für bewegliches Vermögen auf das Domizil des Erblassers ankommt. Damit wird ein Systembruch, zu dem die Gegenauffassung innerhalb des englischen Kollisionsrechts führt, vermieden. Sie trägt ferner zum Entscheidungseinklang bei, da der Fall des Widerrufs eines Testamentes durch Scheidung, indem auch die Rechtsprechung auf die lex rei sitae des Grundstücks abstellt , und der Fall des Widerrufs eines Testamentes durch Eheschließung gleich behandelt werden sollten: jede Ehe endet entweder durch Scheidung oder durch Tod . Der Grundsatz von der Maßgeblichkeit der lex rei sitae in Bezug auf Grundvermögen hat letztlich einen ähnlich archaischen Ursprung wie die eherechtliche Qualifikation der Regel, dass eine Heirat ein vorheriges Testament widerruft: Der Grund für die eherechtliche Qualifikation soll sein, dass der historische Ursprung von Sektion 18 Wills Act darin lag, dass bei der Heirat das Vermögen einer Frau in das Vermögen des Mannes überging, so dass sie über dieses nicht mehr testamentarisch verfügen konnte. Der historische Ursprung vom Vorrang des Belegenheitsortes von Grundstücken in Bezug auf das Erbrecht liegt darin, dass es bis zur Einführung des Wills Acts 1837 Ausländern rechtlich unmöglich war, wirksam testamentarisch über Grundvermögen in England zu verfügen. Durch diese Regel sollte Territorium, das theoretisch letztlich insgesamt der englischen Krone gehörte, vor dem Einfluss der Auswirkungen des Erbrechts fremder Rechtsordnungen geschützt werden . Es ist daher rechtshistorisch gesehen keineswegs zwingend im Falle des Widerrufs eines Testamentes durch Heirat aufgrund des Ursprungs von Sektion 18 Wills Act dem Domizil des Erblassers den Vorrang vor der lex rei sitae einzuräumen. Zumindest heben sich beide historischen Argumente gegenseitig auf.
4. ) Eigene Stellungnahme
Lässt man die Rechtsentwicklung einmal beiseite und nähert man sich vollkommen unbefangen dem Satz, dass eine Ehe ein zuvor errichtetes Testament widerruft enthält dieser Satz sowohl erbrechtliche als auch eherechtliche Elemente. Die Rechtsfolge, Widerruf eines Testamentes, liegt auf dem Gebiet des Erbrechts. Das Tatbestandsmerkmal "wirksames Testament" stammt ebenfalls aus dem Erbrecht. Nur das Tatbestandsmerkmal "nachfolgend geschlossene wirksame Ehe" gehört zum Eherecht. Rein formal überwiegen damit sogar die erbrechtlichen Elemente: 2:1. Ferner sprechen die zahlreicheren und gewichtigeren Argumente dafür, dass Sektion 18 Wills Act (1837) aus heutiger Sicht des englischen Kollisionsrechts als erbrechtlich qualifiziert werden würde: die Systematik des Gesetzes ("Wills Act"), sein heutiger Sinn und Zweck der Daseinsfürsorge, Einheitlichkeit des englischen Kollisionsrechts bezüglich des Widerrufs eines Testamentes durch Scheidung und durch Eheschließung. Es bleibt damit für die erstgenannte Auffassung lediglich die Erwägung aus der Entscheidung Estate of Micaleff. Wenn der zu entscheidende Sachverhalt zur lex rei sitae keine andere tatsächliche Verbindung aufweist, als die Belegenheit des Grundstücks und dieses Abstellen auf die lex rei sitae dazu führt, dass das Testament widerrufen wird, nicht erkennbar ist, welches Interesse diese Rechtsordnung an der Durchsetzung ihrer Widerrufsfiktion gegenüber Parteien haben soll, die keine andere Verbindung zu dieser Rechtsordnung haben . Diese Erwägung trifft aber auf den Ausgangssachverhalt, in dem das Abstellen auf die deutsche lex rei sitae gerade dazu führt, dass das Testament nicht widerrufen wird, nicht zu. Zwar könnte man dagegen einwenden, dass der Fall, dass die lex rei sitae zum Widerruf führt und der Fall, dass sie es nicht tut, immer gleich zu behandeln sein müssten. Dagegen lassen sich aber die einzigen beiden Entscheidungen von Gerichten angelsächsischer Jurisdiktion anführen, die genau diesen Sachverhalt betreffen, Estate of Wimbush und Culley´s Will : In diesen haben es die Gerichte derjenigen Jurisdiktionen, in welchen das Grundstück belegen war - (Colorado und New York) - und die keine Widerrufsfiktion entsprechend Sektion 18 Will Act (England) kannten, es abgelehnt, die Widerrufsfiktion der Domizil-Jurisdiktionen - (Hawaii und Massachusetts)- , gegen sich gelten zu lassen, sondern der eigenen lex rei sitae zur Durchsetzung verholfen haben, nach der das Testament durch die Eheschließung nicht widerrufen wurde und den Willen des Testierenden somit aufrecht erhalten, statt ihn zu enttäuschen.
5.) Schlussfolgerung aus deutscher Sicht
Wenn ein deutsches Gericht ausländisches Recht anzuwenden hat, hat es dessen wirklichen Rechtszustand zu ermitteln, das schließt aber eine Fortbildung des ausländischen Rechts für die von ihm nicht bedachten Fallgestaltungen nicht aus . Es gibt bis heute keine Entscheidung eines englischen Gerichts zu der Frage, ob der Grundsatz der Nachlassspaltung auch für die Frage des Testamentswiderrufs durch Heirat gilt,oder ob für diese Frage sowohl für beweglichen als auch für unbeweglichen Nachlass immer auf das Domizil des Erblassers zum Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen ist. Es gibt nur die Entscheidung In Re Martin , die sich mit beweglichen Sachen befasst, in welcher die Widerrufsfiktion aus Sektion 18 Wills Act (England) als eherechtlich qualifiziert wird und eine Schrifttumsmeinung, die dieser Qualifikation folgt und auch in Bezug auf Grundstücke auf das Domizil zum Zeitpunkt der Eheschließung statt auf die lex rei sitae abstellt . Diese Schrifttumsmeinung hat sich aber aus der Kritik der Entscheidung In Re Caithless herausgebildet, in welcher das Abstellen auf die englische lex rei sitae dazu führte, dass die Widerrufsfiktion eingriff und der Wille des Testierenden enttäuscht wurde . Der Ausgangssachverhalt betrifft den genau spiegelbildlichen Sachverhalt, beim Abstellen auf die deutsche lex rei sitae würde der Wille des Testierenden Aufrecht erhalten. Dass beide Sachverhalte nicht gleich behandelt werden müssen, ergibt sich bereits daraus, dass auch die Rechtsprechung anderer Jurisdiktionen des Common Law das nicht tut . Diese Ansicht muss sich nicht vorhalten lassen, dass sie Präzedenzfälle aus New York und Colorado anführt, um zu einem Ergebnis für England zu gelangen. Ein englischer Richter wäre heutzutage an zwei Präzendenzfälle gebunden, die einander widersprechen: In Estate of Caithless wird auf die lex rei sitae abgestellt, In Re Martin auf das Domizil zum Zeitpunkt der Eheschließung. Zwischen diesen müsste er sich entscheiden. Dabei würde er nicht nur die unterschiedlichen Meinungen im Schrifttum berücksichtigen , sondern auch sämtliche Entscheidungen anderer Jurisdiktionen des Common Law, die diesen Fall betreffen. Die einzigen Entscheidungen, die genau den Ausgangssachverhalt betreffen, in welchem das Abstellen auf die lex rei sitae dazu führt, dass der Wille des Testierenden aufrecht erhalten wird, weil diese keine Widerrufsfiktion kennt, sind die genannten aus New York und Colorado . Auch fällt es vorliegend schwer, ein Interesse der englischen Rechtsordnung zu erkennen, die eigene Widerrufsfiktion gegenüber ausländischem Grundvermögen durchzusetzen, insbesondere wenn es um eine Rechtsordnung wie die deutsche geht, die dem Willen des Testierenden durch die Schaffung von Pflichtteilsansprüchen erwachsener Kinder deutlich höhere Beschränkungen auferlegt, als dies die englische grundsätzlich tut . Deswegen sollte im Ausgangssachverhalt ein deutsches Gericht auch nicht die Widerrufsfiktion aus Sektion 18 Wills Act (England) gegenüber deutschem Grundbesitz anwenden, sondern die Nachkommen des Erblassers auf etwaige Pflichtteilsansprüche verweisen.
5. Kindergeld und EU-Ausland, Drittstaaten (Kanada)
von Rechtsanwalt Andre JahnEinleitung
In letzter Zeit häufigen sich Anfragen nach Kindergeldansprüchen mit Auslandsbezug. Ein Grund mag sein, dass die Arbeitsagentur sich gezwungen sieht ein neues EugH-Urteil umzusetzen, dass sie verpflichtet, Kindergeld auch für Kinder von Personen zu zahlen, die in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, deren Kinder aber im EU/EWR-Ausland leben (Rechtssachen Hudzinski, Az. C-611/10 und Wawrzyniak Az. C612/10 Urteile vom 12 Juni 2012). Medienberichten zufolge hat das zu einer beträchtlichen Aufstockung des Personalbestandes geführt, die anscheinend auch mit einer genaueren Prüfung bei Verdacht eines Missbrauchsfalles einher geht. Anlass genug für den Versuch im Rahmen dieses Ratgebers ein wenig Systematik in die vielen oft einander widersprechenden Quellen zu bringen.
Wen überrascht, dass dieser Ratgeber unter der Rubrik Steuerrecht zu finden, so ist der Grund einfach der, dass das deutsche Kindergeld rechtlich als Steuervergütung angesehen wird, und etwaige Missbrauchsfälle auch als Steuerhinterziehung bzw. Steuerverkürzung und nicht als Sozialleistungsbetrug verfolgt werden (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Januar 2010 m. weit. Nachw.). Es gelten auch die steuerlichen Festsetzungs- und Verjährungsfristen (vier, fünf bzw. zehn Jahre).
Wenn es aufgrund der momenten Belastung der Familienkasse zu Verzögerungen bei der Antragsbearbeitung kommt, ist nach Ablauf der 6-Monatsfrist (§ 88 SGG) ab Antragsstellung eine Untätigkeitsklage zu prüfen. Dazu muss aber auch der Zugang des Antrags samt Datum beweisbar sein. Wer seinen Antrag aus dem Ausland stellt, sollte dazu entweder ein Fax-Gerät benutzen oder einen einen der privaten, internationalen Kurierdienste beauftragen, weil der Rückschein internationaler Einschreiben erfahrungsgemäß "sehr selten" zurück kommt.
Fallgruppen
Kindergeldfälle mit Auslandsbezug lassen sich, soweit es um das Bestehen des Anspruchs geht, tatsächlich grob in folgende vier Fallgruppen einteilen.
Fall 1: Funktionierende Familien, die im Ausland leben, von denen aber ein Teil zumindest in Deutschland als abhängiger Beschäftigter arbeitet (Beispiel Saisonarbeiter).
Fall 2: Funktionierende Familien, die vollständig ins Ausland ziehen und Kindergeld beziehen wollen bzw. deutsche Staatsangehörige, die sowieso im Ausland leben und Rentner.
Fall 3: Funktionierende Familien, die in Deutschland leben, aber von denen zumindest ein Teil im Ausland arbeitet oder sogar dort ansässig ist.
Fall 4: Nicht-Funktionierende Familien, die teilweise in Deutschland und teilweise im Ausland ansässig sind.
Die Handhabung dieser Fallgruppen hängt auch vom betroffenen Ausland ab. Es ist zu unterscheiden zwischen EU/EWR-Staaten und der Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island im Verhältnis zu denen die EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009 gelten und Drittstaaten.
Fallgruppe 1: Wander- und Saisonarbeiter aus EU/EWR-Ländern
Fallgruppe Nr. 1 (Bsp. Saisonarbeiter) ist momentan, April 2014, Gegenstand einer politischen Diskussion. Die Rechtslage ist aber nach einer Entscheidung des EuGH (Rechtssachen Hudzinski, Az. C-611/10 und Wawrzyniak Az. C612/10 Urteile vom 12 Juni 2012) geklärt: Um einen Kindergeldanspruch in Deutschland zu haben, ist es für EU/EWG-Ausländer ausreichend im Inland einer auch nur vorübergehenden, sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Solange der deutsche Gesetzgeber nicht auf diese Urteile reagiert, wird sich daran auch nichts ändern.
Ein deutscher Kindergeldanspruch kann sich ergeben aus den § 62 bis § 78 EStG oder aus dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Beide Anspruchsgrundlagen sind unabhängig voneinander, und die Anspruchsgrundlage aus dem EStG ist vorrangig (DA-BAKG auf Seite 10). Gem. § 62 EStG hat Anspruch auf steuerrechtliches Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für das Bestehen eines Wohnsitzes kommt es insoweit nicht auf den Meldewohnsitz an, sondern auf das tatsächliche Innehaben einer Wohnung. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt vor, wenn man zumindest sechs Monate im Inland lebt, wobei auch mehrere Aufenthalte zusammengerechnet werden können (DA 62.2.1, AEAO zu § 8 und § 9 AO). Letzteres ist wohl der Grund, warum die Wanderarbeiter aus Fallgruppe 1 in Deutschland keinen Wohnsitz begründen müssen, sondern in diesen Fällen der gewöhnliche Aufenthalt ausreicht.
Fallgruppe 2: Deutsche Familien im Ausland
Wer seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufgibt, hat zunächst keinen steuerrechtlichen Kindergeldanspruch gem. § 62 Abs.1 Nr. 1 EStG. Dieser kann jedoch bestehen, wenn man trotzdem zumindest als unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig zu behandeln ist (§ 62 Abs.2 EstG). Das betrifft, vereinfacht gesagt, Beamte und Personen, die nur deswegen der deutschen Steuerpflicht unterliegen, weil sie einen Antrag darauf stellen, da sie „Einkünfte" i.S.d. § 49 EStG aus Deutschland beziehen. Dazu gehören auch Leistungen der deutschen Rentenversicherung (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 EstG). Das könnte aber außer für Rentner auch für Personen gelten, die aus steuerlichen Gründen ausgewandert sind. Nur werden diese wohl niemals einen Antrag darauf stellen wieder in Deutschland beschränkt einkommenssteuerpflichtig zu werden.
Wenn für Betroffene von Fallgruppe Nr.2 kein steuerrechtlicher Kindergeldanspruch besteht, ist als nächstes der sozialrechtliche Kindergeldanspruch aus dem § 1 BKGG zu prüfen. Das betrifft zunächst die eher seltenen Fälle von Missionaren, Entwicklungshelfern oder Mitglieder von in Deutschland stationierten NATO-Truppen (§ 1 BKGG Abs.1 Ziff.2 bis 4.). Das betrifft theoretisch aber auch jeden Bezieher von ALG-1, Insolvenz-, Kurzarbeitergeld usw. (§ 1 BKGG Abs. 1 Ziff.1 und SGB III). Dabei dürfte es allerdings kaum allzu viele Bezieher dieser Leistungen geben, die im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ein Anspruch aus § 1 BKKG ergibt sich ferner auch für Rentner, Bezieher von Erwerbsminderungsrenten und wenige andere (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 Alt. 2 BKGG i.V.m. § 28 SGB III). Zu dieser Fallgruppe gehören auch skurile Fälle, die alle paar Jahre für Schlagzeilen sorgen, in denen deutsche Rentner noch im hohen Alter vorzugsweise in exotischen Entwicklungsländern wie Paraguay oder Sierra Leone eine erstaunliche Vitalität beweisen...
Zur Vermeidung von Missverständnissen: Wer auswandert, verliert im Grundsatz etwaige, deutsche Kindergeldansprüche, sofern nicht die eben genannten Ausnahmen eingreifen. Das hat der BFH auch erst kürzlich nochmals bestätigt (BFH Urteil vom 27 Februar 2014 für einen Vater, der vorübergehend bei einer Drittland-NGO gearbeitet hat). Das gilt zumindest dann, wenn beide Elternteile Deutschland mit den Kindern verlassen. Wenn dagegen einer von beiden hier noch einen Wohnsitz hat oder zumindest beschränkt einkommenssteuerpflichtig ist, steht zumindest diesem ein eigener Kindergeldanspruch zu.
Fallgruppe 3: Deutsche Familien mit einem Arbeitnehmer im Ausland, (Entsendungsfälle).
Der deutsche Kindergeldanspruch von Angehörigen von Familien, die zwar in Deutschland leben, von denen aber einer sein Einkommen im Ausland erwirtschaftet, sind nun wiederum vergleichsweise einfach zu behandeln. Ein Ehepartner/Lebenspartner, der nicht dauerhaft getrennt lebt, hat seinen Wohnsitz dort, wo seine Familie lebt (BFH Urteil vom 6. Feb. 1985; Az. I R 23/82 und AEAO zu § 8 AO.). Daraus dürfte sich unproblematisch auch ein vorrangiger deutscher Kindergeldanspruch von echten und unechten Grenzgängern ergeben, die zwar außerhalb Deutschlands in Grenznähe arbeiten, aber jeden Abend zu ihrer Familie nach Deutschland zurückkehren. In Fällen von längeren Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland ohne Familiennachzug sollte man diesen Leitsatz aber vermutlich lieber nicht überstrapazieren.
Fallgruppe 4: Dysfunktionale Familien, die teilweise im Inland und teilweise im Ausland leben.
Diese Konstellation ist diejenige, die zwischen dem inländischen Antragsteller und den deutschen Familienkassen bislang wohl am häufigsten vor den Finanzgerichten geendet hat. Hier ist die Rechtsentwicklung noch im Fluss und hier werden auch regelmäßig die EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009 relevant. Diese setzten aber zunächst voraus, dass im Ausland überhaupt ein konkurrierender Kindergeldanspruch besteht (etwa FG-Nds. 15. Dez. 11, Az. 3 K 155/11).
Sonstiges: Differenzkindergeld
Falls dieser besteht und im Ausland auch Leistungen bezogen werden, die dem deutschen Kindergeld vergleichbar sind, kommt immer noch ein Anspruch auf Differenzkindergeld in Betracht (§ 65 EstG) bzw. die ausländischen Leistungen werden vom deutschen Kindergeld abgezogen. Dabei sollte man sich nicht etwa vom Namen der ausländischen Leistung in die Irre führen lassen: Nicht alle ausländischen Sozialleistungen, die an das Vorhandensein von Kindern anknüpfen (siehe etwa siehe: L-531-1 bis Article L 531-10 Code de la Securité Socialé für Frankreich oder das „Ley General de Subsidios familares por hijos"), sind dem deutschen Kindergeld bereits vergleichbar. Die meisten ausländischen Leistungen innerhalb der EU, die an das Vorhandensein von Kinder anknüfen, wie die gennate Sozialleistung aus Spanien sind dem deutschen Kindergeld vergleichbar aber eben nicht alle. Vergleichbar sind z.B. die Child Benefits aus UK, Irland und der Child-Tax-Benefit aus Kanada, obwohl letzterer nur ein Freibetrag ist, der nicht ausgezahlt wird. Verneint wird die Vergleichbarkeit dagegen für den Child-Tax-Benefit aus den USA (eine Länderübersicht findet in BstBl. 2012 I ab Seite 18).
6. Die Sicherung der Erschließung eines Grundstücks durch den Anspruch auf Eintragung einer Baulast bzw. einer Dienstbarkeit bei Hinterliegergrundstücken
von Rechtsanwalt Andre JahnDie Sicherung der Erschließung eines Grundstücks durch den Anspruch auf Eintragung einer Baulast bzw. einer Dienstbarkeit bei Hinterliegergrundstücken
Anspruchsgrundlagen
Schlussbemerkung
A) Einleitung
Die zur Erteilung einer Baugenehmigung erforderliche rechtliche Sicherung der Erschließung ist bei so genannten Hinterlieger-Grundstücken problematisch. Als Hinterlieger-Grundstück bezeichnet man ein Grundstück, das nur über einen Stichweg mit der nächsten öffentlichen Straße verbunden ist, der über ein Grundstück führt, das andere Eigentümer als die Bauherren hat. Es ist nach den Landesbauordnungen grundsätzlich nicht ausreichend, dass die Erschließung für Zufahrt, Feuerwehrzufahrt und Medienanschlüsse des Hinterlieger-Grundstücks nur privatrechtlich durch Eintragung einer dinglichen Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Baugrundstücks erfolgt. Daneben muss in allen Bundesländern eine öffentlich rechtliche Sicherung der Erschließung treten. Ansonsten hätten es die Beteiligten Privaten in der Hand die rein privatrechtlich gesicherte Erschließung z.B. durch Aufhebung der Grunddienstbarkeit wieder zu beseitigen, so dass nach Errichtung des Bauprojekts ein baurechtswidriger Zustand entstehen könnte . Diese öffentlich rechtliche Sicherung der Erschließung erfolgt in fast allen Bundesländern durch die Eintragung einer Baulast zugunsten der Baubehörde. Nur in Brandenburg und Bayern erfolgt sie durch die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Geh-, Fahr- Leitungs- und Feuerwehrzufahrtsrecht) zugunsten des Landkreises.
Die weitaus meisten Eigentümer von dienenden Grundstücken, über die das "hinter liegende" Baugrundstück mit der nächsten Straße verbunden wird, werden bereit sein die Eintragung dieser weiteren Belastung zu bewilligen, wenn es bereits ein privatrechtlich gesichertes Wegerecht gibt: ihr Grundstück wird durch die Eintragung der Baulast bzw. der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit faktisch nicht weitergehend belastet, als dieses schon durch die privatrechtliche Sicherung der Fall ist. Allerdings gibt es natürlich immer wieder zerstrittene Nachbarn, die diese Erklärung nicht abgeben wollen, um so das Bauvorhaben zu verhindern. Für die Bauherren heißt das aber noch nicht endgültig, dass sie von diesem Abstand nehmen müssen. Zumindest dann, wenn es bereits eine eingetragene privatrechtliche Grunddienstbarkeit zugunsten des Baugrundstücks gibt, hat die Rspr. anerkannt, dass es unter Umständen einen Anspruch auf Bewilligung einer inhaltsgleichen Baulast geben kann (BGH NJW 89,1607; BGH WM 90,320; NJW-RR 92,1484; NJW 94, 2757; WM 95,165; BauR 2000,1856; OLG Karlsruhe, NVwZ 92,1021; LG Konstanz, NVwZ 92,1022; OLG Düsseldorf NJW-RR 99, 1539; LG Bochum BauR 2002,610; Serong BauR, 2004,433; Griowotz, BauR 90,20; Dehner Nachbarrecht Bd. II, B, § 30, Seite 4a bis 4b).
Keine der zitierten Entscheidungen stammt aus Bayern oder Brandenburg. Allerdings verfolgt die dort erforderliche öffentlich rechtliche Sicherung durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Landeskreises erklärtermaßen das gleiche Ziel, das in den anderen Bundesländern durch das Instrument der Baulast erreicht wird. Deshalb ist anzunehmen, dass die Gerichte in Brandenburg und Bayern die Grundsätze dieser Rspr. zur Baulast auch auf die dort erforderliche öffentlich rechtliche Sicherung der Erschließung durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Landeskreises entsprechend anwenden dürften.
B.) Anspruchsgrundlagen
I.) Vertrag
Am einfachsten haben es die Bauherren, wenn bereits der schuldrechtliche Vertrag, auf dem die Erteilung der bestehenden Dienstbarkeit beruht, schriftlich festgehalten wurde und sich bereits aus diesem ableiten lässt, dass auch ein Anspruch auf Erteilung einer Baulast bzw. einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit besteht. So hat die Rspr. z.B. anerkannt, dass in dem Falle, dass ein Hinterliegergrundstück erst dadurch geschaffen wird, dass eine Teilfläche verkauft wird, den Verkäufer eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag treffen kann, die Zuwegung zu diesem Grundstück nicht nur durch die Eintragung eines Wegerechts zugunsten der verkauften Teilfläche privatrechtlich zu sichern, sondern zur Sicherung der öffentlich rechtlichen Erschließung auch eine entsprechende Baulast zu bewilligen ist (BGH NJW 94,2757).
II.) Begleitschuldverhältnis
Ohne eine schuldrechtliche Verpflichtung des Eigentümers des dienenden Grundstücks zur Bewilligung einer inhaltsgleichen Baulast ist der dogmatische Ausgangspunkt der Rspr. ein anderer: die bereits bestehende Grunddienstbarkeit begründet ein gesetzliches Begleitschuldverhältnis, aus dem sich eine Nebenpflicht zur Eintragung einer inhaltsgleichen Baulast bzw. einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ergeben kann. Dafür stellt die Rspr. folgende Voraussetzungen auf:
1.) Deckungsgleichheit von Baulast und Grunddienstbarkeit
Die erste Vorraussetzung ist, dass die Baulast bzw. die beschränkte persönliche Dienstbarkeit inhaltsgleich zu der bereits bestehenden Grunddienstbarkeit sein muss. Es ist allerdings nicht ganz eindeutig, welche Tatsachen die Gerichte unter dieses Tatbestandsmerkmal subsumieren. Mit Sicherheit bezieht es sich auf die Frage, ob diejenige Fläche des dienenden Grundstücks, die von Grunddienstbarkeit betroffen wird und diejenige Fläche, die von der Baulast betroffen werden wird, deckungsgleich sind. Teilweise finden sich in den Entscheidungen unter diesem Merkmal aber auch Erwägungen dazu, ob es durch die geplante Bebauung zu einer faktischen Mehrbelastung des dienenden Grundstücks kommt, ob also z.B. ein bestehender Weg intensiver befahren werden wird. Unklar ist aber, ob dieses Tatbestandsmerkmal auch sachlich in dem Sinne verstanden werden muss, dass z.B. ein eingetragenes Wegerecht selbst bei flächenmäßiger Deckungsgleichheit zwar einen Anspruch auf eine Baulast in Bezug auf das Wegerecht gewähren mag aber nicht in Bezug auf die Feuerwehrzufahrt.
2.) Interessenabwägung
Die nächste Voraussetzung ist eine sehr einzelfallorientierte Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Bauherren als dem Inhabers einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und dem des Eigentümer des dienenden Grundstücks als dem durch sie Belasteten. Im Rahmen dieser Abwägung berücksichtigen die Gerichte (BGH NJW 89,1607; BGH WM 90,320; NJW-RR 92,1484; NJW 94, 2757; WM 95,165; BauR 2000,1856; OLG Karlsruhe, NVwZ 92,1021; LG Konstanz, NVwZ 92,1022; OLG Düsseldorf NJW-RR 99, 1539; LG Bochum BauR 2002,610) folgende Punkte:
a) Was war der ursprüngliche Zweck der Bestellung der Dienstbarkeit ? Zu dessen Ermittlung ist nicht nur auf die Eintragungsbewilligung sondern auch auf die jedermann erkennbaren tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zum Zeitpunkt der Eintragung abzustellen (BHG NJW-RR 92, 1484),
b) Ist die Erteilung baurechtlich zwingend erforderlich oder kommt ggf. eine Befreiung durch die Baubehörde in Betracht?
c) Entsprechen Inhalt und Umfang der Baulast bereits der eingetragenen Dienstbarkeit?
d) Ausschluss falls Baulasterfordernis bzw. anderweitige öffentlich rechtliche Sicherung bereits bei Eintragung der Grunddienstbarkeit erkennbar?
Streitig ist, ob diese Abwägung dann zwangsläufig gegen den Bauherren ausfallen muss, wenn bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der privatrechtlichen Dienstbarkeit feststand, dass außer der privatrechtlichen Sicherung auch noch eine öffentlich rechtliche Sicherung durch die Eintragung einer Baulast erforderlich sein wird, um aus dem herrschenden Grundstück ein Baugrundstück zu machen. Das OLG Düsseldorf (NJW-RR, 99, 1539) verneint diese Voraussetzung. Es ist der Ansicht, dass in dem Fall, das bereits bei Bestellung einer Grunddienstbarkeit das Erfordernis der Eintragung einer inhaltsgleichen Baulast vorhersehbar war, deren Eintragung meist nur aufgrund eines Versehens bei den Vertragsverhandlungen unterlassen worden sein wird und das nicht einsehrbar sei, warum dieses Versehen zwingend zu Lasten des Bauherren gehen solle (NJW-RR, 99, 1539[1541]). Das OLG Karlsruhe vertritt die Gegenansicht (NVwZ 92,1021), was sich auch mit der herrschenden Meinung im Schrifttum deckt (Griowotz, BauR 90,20, [24]; Broß, Verwaltungsarchiv 94, 483 [491], Serong BauR, 2004,433 [438]), LG Bochum BauR 2002,610). Zur Begründung wird angeführt, dass in dieser Konstellation derjenige, der bereits eine privatrechtliche Dienstbarkeit bewilligt habe, in seinem Vertrauen darauf alles getan zu haben, wozu verpflichtet ist, schutzwürdiger sei als derjenige, der die Wahrung seiner eigenen Interessen in diesem Moment nachlässig betrieben habe (Broß aaO.). Der BGH hat diese Frage bislang offen gelassen (BGHZ 106,348[354]; WM 1990,320 [321]).
C.) Schlussbemerkung
Die hier vorgestellten Ansprüche sind vor dem Zivilgericht geltend zu machen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Chancen für die Bauherren dann am besten stehen, wenn das bereits eingetragene Wegerecht noch aus einer Zeit stammt, als die Landesbauordnungen das Instrument der Baulast noch nicht einmal kannten. Die Chancen des Eigentümers des dienenden Grundstücks den Bau endgültig zu verhindern stehen dann gut, wenn aus der Eintragungsbewilligung der bereits eingetragenen Dienstbarkeit ersichtlich ist, dass diese auf den damaligen Zweck des zukünftigen Baugrundstücks beschränkt sein sollte, oder wenn es zu einer faktischen Mehrbelastung durch das Bauvorhaben kommen würde oder wenn bereits bei Eintragung der privatrechtlichen Dienstbarkeit vorhersehbar war, dass auf dem herrschenden Grundstück zukünftig gebaut werden sollte und dafür eine Baulast erforderlich werden würde - (da das OLG Düsseldorf mit seiner M.E. sogar vorzugswürdigen oben zitierten Auffassung bislang alleine geblieben ist, nach der auch in diesem Fall die Interessenabwägung zugunsten des Bauherren ausfallen kann).
Bevor Sie einen Anwalt beauftragen, sollten sie in der Lage sein folgende Fragen zu beantworten und folgende Unterlagen vorzulegen:
Grundbuchauszüge für herrschendes und dienendes Grundstück
Die Eintragungsbewilligung der bereits eingetragenen Belastung
Eine großformatige Katasterkarte, des Baugrundstücks und der
Korrespondenz mit dem Bauamt und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks
Bauantrag der Architekten